Die rumänische Revolution von 1989: Chronologie des Sturzes und des Prozesses gegen Nicolae Ceauşescu und seine Frau Elena

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Zusammengestellt von Daniel Ursprung

wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Abteilung für Osteuropäische Geschichte, Universität Zürich

Zitierweise

Daniel Ursprung: Die rumänische Revolution von 1989: Chronologie des Sturzes und des Prozesses gegen Nicolae Ceauşescu und seine Frau Elena. Onlinepublikation auf: http://www.daniel-ursprung.ch/revolution.htm [Stand: Datum vom Seitenende übernehmen].

Die Chronologie wurde erstellt im Kontext der Hintergrundrecherchen zum Theaterprojekt "Die letzten Tage der Ceauşescus". Idee, Buch und Künstlerische Leitung: Milo Rau; Regie: Milo Rau und Simone Eisenring; Produktion und Dramaturgie: Jens Dietrich. Uraufführung im Dezember 2009 (Voraufführung 10./11. Dezember 2009, Theater Odeon, Bukarest; Uraufführung 18. Dezember 2009, HAU 2 Berlin, weitere Aufführungen ebenda 19., 20. und 21. Dezember 2010; weitere Aufführungen: Schlachthaus Theater Bern, 14., 15. und 16. Januar 2010; Theaterhaus Gessnerallee Zürich, 28., 29. und 30. Januar 2010; Südpol Luzern 3. und 4. Februar 2010).

Schauplätze der rumänischen Revolution von 1989: Zentralkomitee-Gebäude und Umgebung

Schauplätze der Revolution von 1989 in Bukarest:
das Zentralkomitee-Gebäude und Umgebung (grösseres Bild mit Erläuterungen hier klicken)

 

Quellenkritischer Hinweis

Bei nachfolgender Zusammenstellung ist zu berücksichtigen, dass in Bezug auf viele Ereignisse und Details des Ablaufs, von den Interpretationen ganz zu schweigen, je nach Quelle widersprüchliche Angaben existieren; es wurde jeweils durch Abgleich verschiedener Quellen versucht, die plausibelste Variante zu eruieren, ohne auf abweichende Angaben einzugehen. Vereinzelt werden kursiv gesetzt und vom restlichen Text abgehoben verschiedene Interpretationen vorgestellt, ohne sie jedoch zu bewerten.

Die Aufstellung bietet eine ausschliesslich chronologische Zusammenstellung des Ablaufs der Ereignisse an, ohne irgendeinen Anspruch auf Interpretation oder Erklärung. Die Chronologie entstand im Zusammenhang der Hintergrundrecherchen für das Theaterstück "Die letzten Tage der Ceauşescus". Besonderes Augenmerk gilt daher dem Sturz Nicolae Ceauşescus, seiner anschliessenden Flucht und dem Prozess gegen ihn und seine Frau Elena. Auf die Ereignisse ausserhalb Bukarests (eine systematische, wissenschaftlich fundierte Darstellung der Ereignisse in der Provinz ist ein Desiderat der Forschung!) wird bis auf wenige Ausnahmen nicht eingegangen.

Zu den Ereignissen der zweiten Dezemberhälfte 1989 in Rumänien existieren zahlreiche unterschiedliche Deutungen, viele Fragen sind nach wie vor heftig umstritten - so etwa, ob es sich um eine Revolution, einen Staatsstreich, oder eine Kombination davon handelte; ob es eine Verschwörung gegen Ceauşescu gab und wenn ja, wer daran beteiligt war und welche Rolle sie für den Ausbruch des Volksaufstandes in Temesvar und Bukarest spielte; wer für die Kämpfe in Bukarest und vielen anderen Städten Rumäniens nach dem Sturz Ceauşescus am 22. Dezember 1989 verantwortlich war etc. In der Flut an (meist rumänischen) Publikationen zu diesem Thema und vor allem in den unzähligen Beiträgen von Journalisten (primär in Printmedien und Fernsehen) stehen seriöse Interpretationen, Spekulationen, durch persönlich oder politisch bedingte Sympathien und Animositäten geprägte Sichtweisen und Verschwörungstheorien oft sehr nahe beieinander. Die Umstände des rumänischen Dezembers 1989 bringen es mit sich, dass die Informationen dazu überwiegend auf mündlichen Erzählungen von Zeitzeugen basieren, darunter viele Personen aus dem Umfeld Ceauşescus wie auch der neuen Führung, die in zahllosen Interviews und Darlegungen in Büchern, der Presse, dem Rundfunk, Dokumentarfilmen und Fernsehsendungen, aber auch im Rahmen der Senatskommissionen zur Untersuchung der Revolution von 1989 und Gerichtsverfahren gemacht wurden. Eine Überprüfung der Aussagen durch unabhängige Quellen ist oftmals nicht möglich. Viele widersprüchliche Angaben sind daher vor dem Hintergrund persönlicher Interessen der jeweils befragten Personen zu sehen, die vielfach nachträglich ihr Verhalten zu rechtfertigen versuchen, sich selbst in ein positives Licht rücken möchten oder die Gelegenheit nutzen, persönliche und politische Gegner zu diffamieren, zumal die Frage der Interpretation der Dezemberereignisse nach 1989 in der rumänischen Öffentlichkeit eng mit der Frage nach der Legitimation der einzelnen politischen Akteure verknüpft war.

Für eine vorsichtige Darstellung, welche die verschiedenen Sichtweisen gegeneinander abwägt, sei stellvertretend auf das Buch von Peter Siani-Davies verwiesen (siehe Literaturliste am Seitenende). Viele Probleme haben jedoch nach wie vor als umstritten bzw. ungelöst zu gelten.

[Aktualisierung 2019: viele der lange Zeit als ungeklärt geltenden Fragen können unter Berücksichtiung detaillierter Rekonstruktion der Abläufe, der Motive und Interessen der Protagonisten mit relativ grosser Plausibilität geklärt werden. Spezifische Interessen der 1989 für die gewaltsame Eskalation verantwortlichen Securitate-Kreise, die auch danach grossen Einfluss auf die öffentliche Meinung hatten, haben durch eine offensichtlich systematische Desinformationskampagne Verwirrung gestiftet. Dies reflektiert sich in der Berichterstattung der Medien, aber auch in seriösen Publikationen von wissenschaftlicher Seite, inklusive ausländischer WissenschaftlerInnen. Die zuverlässigsten Rekonstruktionen der Ereignisse 1989 sind diejenigen in den Arbeiten von Richard Andrew Hall sowie Mădălin Hodor (siehe unten für Details).]

 

Donnerstag, 14. Dezember

Eine kleine Gruppe versucht eine gegen das Regime gerichtete Kundgebung im Stadtzentrum der ostrumänischen Stadt Iaşi zu organisieren; die Behörden, die vom Vorhaben erfahren, schreiten ein und verhindern, dass es dazu kommt

Freitag, 15. Dezember, Vormittag

in der westrumänischen Stadt Temesvar (Timişoara) versammeln sich Anhänger des ungarischen reformierten Pfarrers László Tőkés, um vor dessen Haus in der Strada Timotei Cipariu (Geodaten: 45°44'53"N 21°13'6.3"E) gegen die die geplante Evakuierung des renitenten Geistlichen in die Provinz zu protestieren

15. Dezember, tagsüber und abends

Vor dem Haus von Tőkés versammeln sich bis zu 200 Personen; Vertreter der lokalen Behörden versuchen die Menge zu beschwichtigen; die Evakuierung verzögert sich; ein Vertreter der amerikanischen Botschaft versucht Kontakt zu Tőkés aufzunehmen

Samstag, 16. Dezember, Vormittag

Die lokalen Behörden zögern mit dem Vorgehen gegen Tőkés, Ceauşescu fordert ein entschlossenes Vorgehen; in der Nähe des Hauses von Tőkés versammeln sich wiederum Anhänger des Pfarrers

16. Dezember, Nachmittag

Die Solidaritätskundgebung für Tőkés beginnt sich in eine gegen das Regime gerichtete Demonstration zu verwandeln; regimekritische Parolen werden skandiert (gemäss einem Eintrag im Register des Observierungsdienstes der Securitate sollen um 14 Uhr erstmals "Nieder mit Ceauşescu" und "Freiheit" gerufen worden sein; verbotene Lieder werden angestimmt (Deşteapta-te române - Erhebe Dich, Rumäne); Ordnungskräfte ziehen auf

16. Dezember, 17:15

Tőkés fordert vom Fenster seiner Wohnung aus seine Anhänger auf, sich zu zerstreuen

16. Dezember, abends

Demonstranten halten die Strassenbahn vor dem Haus von Tőkés an, um die Passagiere zur Teilnahme am Protest zu mobilisieren; An mehreren Stellen in der Stadt kommt es zu Zusammenstössen zwischen Sicherheitskräften und Demonstranten; gerüchteweise sollen sich unter letzteren auch Provokateure befinden, die den Sicherheitskräften den Vorwand zum Einschreiten bieten sollen; es kommt zu Ausschreitungen, das Kreisparteibüro und die Ordnungskräfte werden attackiert, kommunistische Symbole heruntergerissen; noch kein Einsatz von Schusswaffen, aber Tränengas und Verhaftung von rund 180 Personen; mehrere Protestzüge in die Quartiere, um die Bevölkerung für die Proteste zu mobilisieren

16. Dezember, Spätabends bis tief in die Nacht

In Bukarest versuchen sich die zuständigen Stellen (die Spitzen von Securitate, Verteidigungs- und Innenministerium, Ceauşescu persönlich) im Kontakt mit Temesvar ein Bild von der Lage zu machen und Repressionsmaßnahmen anzuordnen; so beschließt der Verteidigungsminister Vasile Milea, Patrouillen der Armee in den Strassen von Temesvar einzusetzen; jedoch wird noch keine scharfe Munition eingesetzt

16. Dezember, gegen Mitternacht

Die Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Ordnungshütern gehen weiter; die Demonstranten versammeln sich um die Kathedrale im Stadtzentrum

Sonntag, 17. Dezember, zwischen 3 und 5 Uhr in der Früh

Auf Befehl Ceauşescus wird László Tőkés mit seiner Familie zwangsweise in das gut 250 km entfernte Dorf Mineu evakuiert

17. Dezember, frühmorgens

eine operative Gruppe des Innenministeriums trifft in Temesvar ein, im Laufe des Tages weitere Sonderkommandos; Ceauşescu wirft dem Verteidigungsminister Vasile Milea ein zu wenig entschlossenes Vorgehen gegen die Demonstranten vor

17. Dezember, 10 Uhr

Ceauşescu informiert in Bukarest das ständige Büro des politischen Exekutivkomitees dass die Situation in Temesvar unter Kontrolle sei

17. Dezember, 11-13:30 Uhr

durch die Strassen von Temesvar defilieren Truppen der Armee, die teils von der Bevölkerung beschimpft oder gar attackiert werden

17. Dezember, um die Mittagszeit

Die Zahl der Demonstranten hat ca. 4000 Personen erreicht; die Sicherheitskräfte setzen Tränengas, Wasserwerfer und Schlagstöcke ein; wichtigstes Repressionsorgan ist die Armee; im Zentrum werden Schaufenster eingeschlagen

17. Dezember, früher Nachmittag

In Bukarest versuchen sich die Spitzen des Regimes weiterhin, ein klares Bild von der Situation in Temesvar zu machen; es kommt zu gegenseitigen Schuldzuweisungen und Vorwürfen ausländischer (sowjetischer, ungarischer) Einmischung; Ceauşescu ruft den Notstand über den Kreis Timiş aus; weitere Truppen werden nach Temesvar aufgeboten, um strategisch wichtige Einrichtungen zu bewachen; Panzer rollen in die Stadt und werden von den Demonstranten angegriffen, Blockaden errichtet

17. Dezember, 14:00 – 14:20

Das Kreisparteikomitee in Temesvar wird gestürmt und verwüstet, Radu Bălan, erster Sekretär des Kreisparteikomitees, flüchtet zum Sitz der Securitate; bis um 15 Uhr werden die Demonstranten von der Armee wieder vertrieben

17. Dezember, Nachmittag

in den Strassen von Temesvar gehen die Proteste weiter; ab ca. 15/16 Uhr kommen auch Schusswaffen zum Einsatz; aus der weiteren Umgebung werden zusätzliche Truppen in die Stadt beordert

17. Dezember, 15:30

Verteidigungsminister Vasile Milea beordert Generalstabschef Ştefan Guşă mit einer Gruppe von Generälen und hochrangiger Militärs (darunter Victor Atanasie Stănculescu, erster Adjunkt des Verteidigungsministers, Mihai Chiţac, Kommandant der chemischen Truppen, Constantin Nuţă, Adjunkt des Innenministers) nach Temesvar; ebenfalls mit dieser Gruppe unterwegs ist Ion Coman, Sekretär des Zentralkomitees der Rumänischen Kommunistischen Partei; per Flugzeug treffen sie um 17 Uhr in Temesvar ein

17. Dezember, ab 16:00

Ceauşescu informiert in der Sitzung des politischen Exekutivkomitees über die Lage in Temesvar, die er beschönigend darstellt; er macht die Sowjetunion, unterstützt von den USA und dem Westen, für die angeblichen Staatsstreiche in der DDR, der Tschechoslowakei und Bulgarien sowie die vorangegangenen Ereignisse in Polen und Ungarn verantwortlich und meint drohend, dass in Rumänien die Liquidierung des Sozialismus durch ausländische Kräfte angestrebt werde; Er richtet massive Vorwürfe an Vasile Milea, der darauf beharrt, dass es einen Schiessbefehl auf das Volk nicht geben könne, Verteidigungsminister, Tudor Postelnicu, Innenminister sowie Iulian Vlad, Chef der Securitate, welche seine Befehle nicht ausgeführt hätten, droht mit deren Absetzung und rhetorisch gar damit, sie vor ein Kriegsgericht zu stellen; als Ceauşescu von Gheorghe Rădulescu, Premierminister Constantin Dăscălescu und Gheorghe Oprea gebeten wird, die Entscheidung nochmals zu überdenken bzw. aufzuschieben, droht er verärgert, selber zurückzutreten, worauf hin ihn enge Getreuen inständig bitten, doch im Amt zu bleiben, was er akzeptiert; die Entscheidung über die Absetzung der drei Personen wird vertagt, Ceauşescu bestimmt seine Frau Elena und Manea Mănescu zu seinen Stellvertretern während seines Staatsbesuchs im Iran; zudem  ordnet er die Schließung der Grenzen für den Tourismus an; nur noch Touristen aus China, Nordkorea und Kuba sollen einreisen können; er wiederholt den Befehl, gegen Protestierende mit Warnschüssen und notfalls mit Schüssen auf die Beine auseinanderzutreiben

17. Dezember, 16:30

Eine Delegation des Verteidigungs- und des Innenministeriums, darunter Victor Stănculescu, trifft per Flugzeug in Temesvar ein, kann aber nicht wie geplant bis zum Gelände einer Militäreinheit vordringen, da es von Demonstranten belagert wird

17. Dezember, nach 17 Uhr

In Temeswar eröffnen Sicherheitskräfte des Feuer auf die Demonstrierenden: auf der Piaţa Libertăţii wird Lepa Bărbat, die mit ihrem Mann und ihrer Tochter unterwegs ist, erschossen - sie gilt als eines der ersten erschossenen Todesopfer; an der Decebal-Brücke (Geodaten: 45°45'22"N 21°14'27"E) schiesst die Armee etwa gleichzeitig auf eine grosse Menge Demonstierender, was vier Todesopfer und etwa 20 Verletzte fordert; an verschiedenen Stellen in der Stadt (Kathedrale, Oper, Calea Lipovei, Calea Circului, Calea Ardealului etc.) fordert die Repression am Abend des 17. Dezemebers und in der der Nacht auf den 18. durch Einsatz von Schusswaffen 65 Tote und fast 200 Verletzte. Es ist der weitaus blutigste Tag im Temeswar: in den folgenden Tagen bis zum Sturz Ceauşescus am 22. Dezember sind weitere acht Tote und 98 Verletzt am 18. und 19. Dezember zu beklagen, danach schweigen in Temeswar die Waffen, da die Stadt in der Hand der Revolutionäre ist und zur ersten befreiten Stadt Rumäniens deklariert wird; erst in den Tagen ab dem 22. Dezember fordert eine neue Gewaltwellt dann erneut 20 Todesopfer und über 100 Verletzte; am Abend des 17. Dezembers ist das Stadtzentrum von Verwüstungen gezeichnet, an verschiedenen Orten brennen Feuer, diverse Schaufenster wurden eingeschlagen, ins Zentrum vorgerückte Panzer angezündet

17. Dezember, 18:30

Die rumänische Armee wird gemäß der Alarmstufe „Radu cel Frumos“ in partielle Kampfbereitschaft versetzt und mit Kriegsmunition ausgerüstet

17. Dezember

Im Verlauf des Abends und der Nacht zum 18. Dezember erscheinen erste Meldungen über die Situation in Temesvar in ungarischen und westlichen Medien

Montag, 18. Dezember, frühmorgens

Aus Temesvar meldet das dorthin geschickte Mitglied des politischen Exekutivkomitees Ion Coman nach Bukarest, dass die Lage unter Kontrolle sei; die Behörden beginnen, die entstandenen Schäden zu beheben und die Strassen zu räumen

18. Dezember, 9:00

Im Vertrauen darauf, dass die Situation unter Kontrolle ist, fliegt Ceauşescu nach Teheran zu einem lange geplanten Staatsbesuch; er überlässt die Führung seiner Frau Elena sowie seinen engen Vertrauten Emil Bobu und Manea Mănescu; vor dem Abflug ordnet Ceauşescu an, die Spuren der Ausschreitungen nicht zu beseitigen, da alles gefilmt und nach seiner Rückkehr am Fernsehen ausgestrahlt werden soll; in Iran lässt sich Ceauşescu auffallend häufig mit Rumänien verbinden, um sich über die Situation zu informieren

18. Dezember, Vormittag

Die Proteste flammen erneut auf, Demonstranten formen sich zu größeren Gruppen, denen die Sicherheitskräfte gegenüberstehen, die das Stadtzentrum abgeriegelt haben

18. Dezember, 10:30

Der Notstand wird über Temesvar verhängt

18. Dezember, Nachmittag

Eine Gruppe Jugendlicher durchbricht die Absperrungen und dringt zur Kathedrale (Geodaten: 45°45'3"N 21°13'27"E) vor, wo Kerzen angezündet werden ; nach 17 Uhr wird das Feuer eröffnet; an verschiedenen Stellen der Stadt gehen die Proteste weiter

18. Dezember

Internationale Reaktionen auf die Lage in Temesvar; in Rumänien verbreitet sich die Nachricht vom Aufstand durch ausländische Radiosender, vor allem den rumänischen Dienst des in München beheimateten US-Senders Radio Free Europe

Dienstag, 19. Dezember, ca. 1:00

Aus dem Kreisspital von Temesvar werden Leichen von getöteten Demonstranten nach Bukarest in das Krematorium "Cenuşa" (Geodaten: 44°24'41" N 26° 6'11"E) verfrachtet; sie werden zwischen dem Abend des 19. und dem Vormittag des 20. Dezembers kremiert

19. Dezember, frühmorgens – Vormittag

In vielen Fabriken in Temesvar kommt es zu Protesten und Streiks der Arbeiter; gegenüber den Vortagen zeichnet sich eine leichte Beruhigung ab; in verschiedenen Betrieben versuchen Vertreter des Regimes die Belegschaft davon zu überzeugen, dass die Situation unter Kontrolle ist, was jedoch einen kontraproduktiven Effekt hat: so verbreitet sich die Kunde von den Unruhen nur noch mehr und verunsichert die Angestellten, die sich von den Sicherheitskräften bedroht fühlen; lokale Behördenvertreter beschweren sich bei den Kommandostellen der Sicherheitskräfte, dass sie angesichts der angespannten Lage und der Empörung in der Bevölkerung nicht für Ruhe garantieren könnten solange die Ordnungskräfte sichtbar positioniert blieben

19. Dezember, früher Nachmittag

Generalstabschef  Ştefan Guşă gibt in Absprache mit dem Verteidigungsminister Vasile Milea den Befehl aus, die Panzer und einen Teil der Sicherheitskräfte aus der Stadt abzuziehen; der Einsatz von Waffen wird verboten; erstmals ertönt der Slogan "Armata e cu noi" (Die Armee ist mit uns)

19. Dezember

In einigen siebenbürgischen Städten wie Hermannstadt (Sibiu), Kronstadt (Braşov), Alba Iulia etc. taucht ein Manifest auf, das für den 21. Dezember, 9 Uhr zu einem Generalstreik aufruft; diverse internationale Reaktionen auf das Geschehen in Rumänien, das auch in Presse und Rundfunk zu einem zentralen Thema wird

Mittwoch, 20. Dezember, Vormittag

Generalstreik in Temesvar; die Belegschaften großer Fabriken ziehen geschlossen Richtung Stadtzentrum und skandieren regimekritische Parolen; die Protestbewegung hat mittlerweile große Teile der Bevölkerung Temesvars erfasst; die Armee ist zwar noch präsent, verhält sich aber passiv; von Demonstranten umstellt ergeben sich erste verängstigte Soldaten und schließen sich den Protesten an, andere Einheiten ziehen sich zurück; der Platz vor der Oper wird zum zentralen Begegnungsort der Demonstranten, Temesvar zur ersten freien Stadt Rumäniens erklärt

20. Dezember, gegen Mittag

Ştefan Guşă wiederholt das Verbot, Waffen einzusetzen und die Demonstranten frei zirkulieren zu lassen; bis zum Mittag sind die größten Teile der Armee aus dem Zentrum abgezogen

20. Dezember, 15:00

Ceauşescu kehrt vom Staatsbesuch in Iran zurück

20. Dezember, Nachmittag

Erste Versuche der Demonstranten in Temesvar, eine politische Vertretung zu konstituieren, die als Ansprechpartner für die Regierung dient; vom Balkon der Oper werden Reden gehalten; Verhandlungen einer Delegation der Protestierenden, die auch den Sturz Ceauşescus fordern, mit dem angereisten Premierminister Constantin Dăscălescu verlaufen bis auf die Entlassung einiger Demonstranten aus der Haft ergebnislos

20. Dezember, Abend

Ceauşescu verurteilt die Ereignisse in Temesvar, macht ausländische Spione und revisionistische Kreise dafür verantwortlich und fordert dazu auf, in Fabriken Massenveranstaltungen abzuhalten, die den Standpunkt des Regimes unterstützen; bei einem Auftritt am Fernsehen vertritt Ceauşescu ebenfalls den Standpunkt, dass die Ereignisse in Temesvar und besonders die des 17. Dezembers als terroristische Aktionen einzustufen seien, die von diversen Ländern gesteuert würden, um Rumänien aufzuteilen; Ceauşescu verhängt den Ausnahmezustand über den Kreis Timiş und ordnet an, dass Verstärkung nach Temesvar geschickt wird

20. Dezember, Abend

Eine Abordnung von Demonstranten aus Temesvar trifft in der gut 50 km entfernten Kleinstadt Lugosch (Lugoj) ein; es kommt zu Zusammenstößen mit den Sicherheitskräften

Donnerstag, 21. Dezember, frühmorgens

in Temesvar treffen per Eisenbahn mehrere Detachemente der patriotischen Garden (eine nach 1968 zur Abwehr ausländischer Invasoren geschaffene, der Partei unterstellte leichbewaffnete Miliz) als Verstärkung der Sicherheitskräfte ein, die sich jedoch teilweise mit den Demonstranten solidarisieren

21. Dezember, Morgen

die Belegschaften mehrerer Betriebe legen die Arbeit nieder und ziehen demonstrierend ins Stadtzentrum; es werden Aufrufe zum landesweiten Generalstreik gemacht

21. Dezember, Vormittag, Nachmittag

Der Verteidigungsminister, Vasile Milea, gibt der Armee im Verlauf des Tages mehrfach den Befehl aus, nur auf Anordnung hin Gewalt anzuwenden

21. Dezember, 9:00 Uhr

vom Balkon der Oper in Temesvar (Geodaten: 45°45'15"N 21°13'33"E) wird vor ca. 100'000 versammelten Demonstranten eine Proklamation verlesen, welche unter anderem den Rücktritt Ceauşescus und freie Wahlen verlangt

21. Dezember, tagsüber

in verschiedenen Städten des Landes, vor allem in Siebenbürgen und dem Banat (so in Braşov/Kronstadt, Sibiu/Hermannstadt, Cluj-Napoca/Klausenburg, Târgu Mureş/Neumarkt am Mieresch, Arad, aber auch in kleineren Städten) kommt es ebenfalls zu Protestbekundungen und teils zu gewaltsamen Reaktionen der Sicherheitskräfte, die Tote und Verletzte zur Folge haben

21. Dezember, 10:30

Ceauşescu beschliesst im politischen Exekutivkomitee, den Mindestlohn, Sozialhilfen und Renten zu erhöhen

21. Dezember, Mittag

Auf dem Platz vor dem Sitz des Zentralkomitees (Geodaten: 44°26'20"N 26° 5'52"E) findet eine vom Regime organisierte Massenveranstaltung statt, welche in der Tradition der kommunistischen Massenveranstaltungen die Unterstützung der Bevölkerung für Ceauşescu demonstrieren soll; das Ereignis wird im Fernsehen live übertragen

21. Dezember, ca. 12:30

kurz nachdem Ceauşescu vom Balkon des ZK-Gebäudes (Geodaten: 44°26'18.75"N 26° 5'55.08"E) das Wort ergriffen hat, ertönen in der Menge Pfiffe und eine Panik bricht aus; Angesichts der Unruhe stockt Ceauşescus Rede, sein verdutztes Gesicht wird gerade noch am Fernsehen übertragen, bevor die Liveberichterstattung unterbrochen wird (zuerst verschwindet das Bild und wird durch einen roten Hintergrund ersetzt, der Ton wird erst später abgeschaltet, so dass die Pfiffe gegen Ceauşescu noch einige Zeit zu hören sind)– somit wird im ganzen Land klar, dass Ceauşescu die Situation nicht mehr unter Kontrolle hat; Ceauşescu versucht inzwischen verzweifelt, die Menge zum Bleiben zu bewegen und klopft auf sein Mikrofon; die Menge zerstreut sich jedoch; nach einiger Zeit setzt Ceauşescu seine Rede fort, die nun wieder direkt übertragen wird, als wäre nichts geschehen; er gibt die Erhöhung der Gehälter, Renten und Sozialhilfen bekannt

Was die Unruhe in der Versammlung verursacht hat, ist unklar - einige Interpretationen gehen von einer gezielt von Provokateuren gestifteten Unruhe aus (das Spektrum der Erklärungen reicht von Explosion von Petarden; Verletzung von Leuten aus der Menge mit Nadeln oder Schlagstöcken; Einsatz von Lautsprechern mit simulierten Panzer- und Schussgeräuschen; Verbreitung unhörbarer, aber Unruhe und Verängstigung stiftenden Schallwellen bis zum provokativen Anstimmen von anti-Ceauşescu-Parolen), für die je nach Interpretation verschiedene Akteure verantwortlich gemacht werden (Securitate, sowjetische Agenten); weniger spekulative Erklärungen verweisen auf anti-Ceauşescu-Demonstranten ausserhalb der Versammlung, die auf den von den Sicherheitskräften abgeriegelten Platz vorzudringen versucht hätten und dabei von den Sicherheitskräften mit Tränengas-Petarden zurückzudrängen versucht wurden, was zum Ausbruch von Panik und Unruhe in der vom Regime organisierten Menge geführt habe; da die Versammlung sehr kurzfristig einberufen wurde und es in der Befehlskette teilweise zu Informationslücken kam, soll das Sicherheitsdispositiv weniger lückenlos gewesen sein als bei ähnlichen Veranstaltungen; die Frage nach der Ursache der Unruhe hat jedoch immer noch als ungeklärt zu gelten und ist eine der grossen Fragen rund um die Ereignisse des rumänischen Dezembers 1989

21. Dezember, ca. 13 Uhr

nach seiner Rede kündigt Ceauşescu dem Verteidigungsminister Milea, dem Innenminister Postelnicu und dem Chef der Securitate, Vlad, an, dass er ab sofort selber die Kontrolle über die Sicherheitskräfte übernimmt; im Stadtzentrum werden Armeeeinheiten aufgefahren, die auch den Sitz des Zentralkomitees, wo sich Ceauşescu aufhält, beschützen sollen

21. Dezember, Nachmittag, früher Abend

Nach dem Unterbruch der Rede Ceauşescus zerstreut sich die vor dem Zentralkomitee versammelte Menge und versammelt sich an anderen Stellen im Stadtzentrum neu, wo Parolen gegen Ceauşescu skandiert werden; eines der Zentren ist der Universitätsplatz unweit des Zentralkomitees und der Bulevard Magheru; Sicherheitskräfte versuchen die Demonstranten zurückzudrängen, es kommt zu Verhaftungen und Verletzten; ca. um 17:30 sind die ersten Todesopfer zu beklagen, denen im Verlauf des Abends und der Nacht zum 22., zum Teil auch bedingt durch Panik und Durcheinander, weitere folgen - insgesamt sollen am 21. Dezember 49 Todesopfer zu beklagen sein, 463 Personen verletzt und 698 verhaftet worden sein; im Stadtzentrum patrouillieren Panzer; gegen Abend beginnt sich ein Teil der Demonstranten beim Hotel Intercontinental gegenüber der Universität zu verbarrikadieren

21. Dezember, früher Abend

Ceauşescu unterstellte alle Sicherheitskräfte einem Einheitskommando unter seiner Führung und macht die Verantwortlichen der Sicherheitskräfte (Verteidigungsminister Milea, Innenminister Postelnicu, Securitatechef Vlad und den Generalstabschef der patriotischen Garden Pârcălăbescu) dafür verantwortlich, dass die Lage noch nicht unter Kontrolle ist

21. Dezember, Abend

die Situation zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften in den Strassen der Hauptstadt eskaliert zusehends, die Ordnungskräfte wenden zunehmend Gewalt an und nehmen zahlreiche Verhaftungen vor

Freitag, 22. Dezember, Mitternacht bis 3:00 Uhr

Armeepanzer räumen die Barrikaden neben dem Hotel Intercontinental, es kommt zu Dutzenden von Toten und rund 100 Verletzten sowie zahlreichen Verhaftungen; Verteidigungsminister Vasile Milea kommandiert vor Ort, soll aber angeblich angeordnet haben, nur Warnschüsse abzugeben; Demonstranten bringen die Nachricht von den Vorkommnissen in die Aussenquartiere und versuchen, die Bevölkerung für den nächsten Morgen zu Grossdemonstrationen gegen Ceauşescu zu mobilisieren

22. Dezember, ca. 3:00 Uhr

Iulian Vlad, Chef der Securitate, suggeriert angeblich dem Verteidigungsminister Vasile Milea ein gemeinsames Vorgehen gegen Ceauşescu; Milea, eben von der Gegend um das Hotel Intercontinentel, wo er die Repressionsmassnahmen koordiniert hatte, ins ins ZK-Gebäude zurückgekehrt, wirkt verstört und lehnt ab, da er sich dazu nicht in der Lage fühle

22. Dezember, Nacht vom 21. Dezember/frühmorgens

der auf Befehl Ceauşescus aus Temesvar nach Bukarest zurückkehrende General Victor Stănculescu erfährt von den Vorgängen in Bukarest, begibt sich ins Militärkrankenhaus und lässt sich von einem Arzt einen Gipsverband am Bein anlegen, um sich vor einer weiteren Teilnahme an Repressionsmassnahmen zu drücken; bereits am Abend des 20. Dezembers hatte er in Temesvar gesundheitliche Probleme vorgetäuscht und sich ins örtliche Krankenhaus begeben, nachdem er von Ceauşescu zum Militärkommandanten der Stadt ernannt worden war und das Dekret über den Notstand über den Kreis Timiş hätte verlesen sollen

22. Dezember, 6:30

Ceauşescu, der im ZK-Gebäude übernachtet hat, trifft dort seinen Bruder Ilie, Adjunkt des Verteidigungsministers, der ihm geraten haben soll, sich auf Verhandlungen einzulassen

22. Dezember, Morgen

Nachdem in der Nacht vom 21. auf den 22. die Demonstrierenden durch massiven Gewalteinsatz vererst weitgehend zerstreut werden konnten, strömen am frühen Morgen Arbeiterkolonnen von den grossen betrieben aus der Peripherie in Massen ins Stadtzentrum von Bukarest, um gegen Ceauşescu zu demonstrieren; die Sicherheitskräfte halten sich zurück

22. Dezember, Vormittag

in Temesvar verkündet der Kommandant der lokalen Militäreinheit den Demonstranten, dass er und seine Truppen nicht gegen die Bevölkerung vorgehen würden

22. Dezember, 8:30 Uhr

Im Zentralkomitee ermahnt Ceauşescu den Verteidigungsminister Milea und den Innenminister Postelnicu erneut dazu, auch mit Waffengewalt gegen die Demonstranten vorzugehen; Milea gibt um 9 Uhr den Truppen in Bukarest den Befehl aus, nicht zu schiessen, um Opfer zu vermeiden

22. Dezember, ca. 9:30

im ZK-Gebäude nimmt Verteidigungsminister Vasile Milea seinem Untergebenen Marius Tufan die Waffe ab und begibt sich alleine ins Büro von Corneliu Pârcălăbescu, Chef der patriotischen Garden; kurz darauf ertönt aus dem Raum ein Schuss, Verteidigungsminister Milea wird von herbeigeeilten Augenzeugen mit einer Schussverletzung vorgefunden, an der er kurz darauf auf dem Weg ins Krankenhaus erliegt; als Ceauşescu vom Tod des Verteidigungsministers erfährt, bezeichnet er Milea als Verräter, der Selbstmord verübt habe und übernimmt selbst den Befehl über die Armee; die Nachricht von Mileas angeblichem Selbstmord trägt nicht unwesentlich dazu bei, in der Armee die Loyalität zu Ceaşescu zu untergraben;

Vermutlich hat Milea Selbstmord begangen (eventuell unabsichtlich, da er sich nur verletzen und so der Verantwortung für die Repression entziehen wollte); Gerüchte, dass er ermordet worden sei, konnten weder bestätigt noch definitiv widerlegt werden; 2005 kam eine Expertise nach der Exhumierung der sterblichen Überreste zum Schluss, dass der Schuss von vorne und von rechts nach links, in einem Winkel von 60 bis 75 Grad und von oben nach unten abgegeben wurde aus einer Distanz, die dem dreifachen Abstand zwischen zwei Rippen entspricht;

Postum wurde Milea von der neuen Führung zum Helden erklärt, diverse Strassen wurden nach ihm benannt; in Armeekreisen ist die These von einer Ermordung Mileas weit verbreitet;

22. Dezember, 9:45

in der letzten Sitzung des politischen Exekutivkomitees verkündet Ceauşescu, Milea habe sich das Leben genommen, nachdem er als Saboteur zusammen mit ausländischen Kräften kollaboriert habe; er fragt die Anwesenden, ob sie bereit sind zu kämpfen; niemand verneint explizit; der Notstand wird über das ganze Land verhängt

22. Dezember, 10:00

Ceauşescu überträgt dem inzwischen trotz seines Gipsverbandes ins Zentralkomitee bestellten Victor Stănculescu anstelle von Milea mündlich das Kommando über die Armee, womit er nach dem Tod Mileas de facto Verteidigungsminister ist (ohne dass in der Eile die entsprechenden Formalitädurchgeführt worden wären); Stănculescu ordnet an, das Feuer einzustellen; die Armee beginnt sich zurückzuziehen und überlässt das Feld den Demonstranten; desgleichen ordnet auch Securitatechef Vlad an, dass nur noch zur Selbstverteidigung geschossen werden soll; die Miliz (Polizei) erklärt, dass sie sich auf die Seiten der Revolutionäre stelle. Am Vormittag des 22. Dezemebers sind keine Opfer durch Schusswaffen mehr zu beklagen (das sollte sich erst gegen Abend ändern, als Stunden nach der Flucht Ceauşescus in der Abenddämmerung die gut drei Tage andauernde, blugtigste Phase der Revolution beginnen sollte).

22. Dezember, kurz vor 11 Uhr

Das Fernsehen beginnt ohne Vorankündigung auf Sendung zu gehen (Ende der 1980er Jahre beschränkte sich das TV-Programm aus Spargründen auf wenige Stunden täglich); Radio und Fernsehen verkünden das Dekret über den Notstand und geben den „Selbstmord des Verräters Milea“ bekannt; die Nachricht untergräbt die Loyalität der Armeeverbände gegenüber dem Regime zusätzlich, vielerorts verbünden sie sich mit den Demonstranten; das Dekret über den Notstand wird noch dreimal ausgestrahlt, wobei der Nachrichtensprecher des Fernsehens, George Marinescu, zunehmend unsicher wirkt und sich räuspert; das letzte Mal um 11:40, danach wird bis um 11:46 Musik gespielt, dann endet das Programm, bis um 13 Uhr die Flucht der Ceauşescus verkündet wird

22. Dezember, kurz vor Mittag

Victor Stănculescu informiert Ceauşescu, dass die Truppen nicht mehr auf den von Demonstranten besetzten Platz vor dem Zentralkomitee, wo Ceauşescu ausharrt, vordringen könnten und rät ihm, per Helikopter in ein Kommandozentrum in der Provinz zu fliegen; Ceauşescu lehnt vorerst ab und gibt der das Gebäude schützenden Securitateeinheit den Befehl aus, auszuharren; Securitatechef Vlad ordnet an, die Türen zu blockieren, sie im Notfall aber zu öffnen; Stănculescu bestellt zwei Helikopter zum Zentralkomitee, von denen nur der eine kurz nach halb 12 auf dem Dach landen kann; Ceauşescu versucht vom Balkon des ZK-Gebäudes aus, sich an die davor versammelte Menge zu wenden, wird jedoch ausgepfiffen; er zieht sich ins Gebäude zurück und begibt sich per Fahrstuhl (der eine Zeit lang stecken bleibt) auf die Dachterrasse zum Helikopter, verzichtet somit auf die Möglichkeit, einen der unterirdischen Gänge, die aus dem ZK-Gebäude führen, zu benützen

22. Dezember, ca. 12:00

Den vor dem ZK-Gebäude versammelten Demonstranten gelingt es, ins Gebäude einzudringen, ohne auf Widerstand zu stossen

22. Dezember, 12:08

im 6. Stock, vom Dach des südlichen Seitenflügels des ZK-Gebäudes (Geodaten: 44°26'17 N  26° 5'54.5 E) hebt der Hubschrauber, ein weisser Dauphine SA-365-203, ab; das Abheben des Helikopters ist das sichtbare Zeichen für den Sturz Ceauşescus; in geringer Entfernung haben bereits die ersten Demonstranten das Dach des ZK-Gebäudes erreicht, als der Helikopter abhebt; der Helikopter ist überladen (anstelle von 6 Personen sind 9 Passagiere an Bord: in der Mitte: das Ehepaar Ceauşescu und der Mechaniker Stelian Drăgoi; hinten: 2 enge Vertraute der Ceauşescus: Emil Bobu (ehemaliger Premierminister) und Manea Mănescu (Mitglied im politischen Exekutivkomitee) sowie zwei Leibwächter von der 5. Abteilung der Securitate: Major Florian Raţ, Adjuntant Ceauşescus und Hauptmann Marian Rusu, Adjutant von Elena Ceauşescu; vorne: Vasile Maluţan, Pilot und Mihai Ştefan, Copilot;

Premierminister Constantin Dăscălescu, der anstelle von Mănescu hätte mitfliegen sollten, hatte sich unter dem Vorwand, seinen Mantel holen zu müssen, abgesetzt und sich bis nach dem Abflug des Helikopters in einer Toilette versteckt; anstelle von Raţ hätte Vasile Tălpeanu, an diesem Tag diensthabener Adjutant Ceauşescus, mitfliegen sollen, der sich aber ebenfalls abgesetzt hatte); aufgrund des Gewichts sackt der Helikopter zuerst ab und gewinnt erst nachher an Höhe

22. Dezember, Mittag

bis zum Sturz Ceauşescus (Flucht vom Dach des ZK-Gebäudes und Verlust der Kommandofähigkeit) hatten die Unruhen landesweit 162 Menschen das Leben gekostet, 1107 wurden verletzt; in den folgenden Tagen sollten die Opferzahlen massiv steigen

22. Dezember, tagsüber

Die Proteste weiten sich auf weitere Städte in Rumänien aus (so Constanţa, Buzău oder Craiova) wo die Demonstranten teils in die Gebäude von Partei- und Staatsorganen eindringen; auch im Zentrum und Westen des Landes, in Siebenbürgen und dem Banat, sind die Leute weiter auf den Strassen, zum Teil kommt es zu massiver Gewalt (etwa in Hermannstadt/Sibiu)

22. Dezember, ca. 12:20

Vasile Maluţan, der Helikopterpilot, setzt Ceauşescu in dessen Residenz in Snagov, rund 30km nördlich von Bukarest, ab (Geodaten: 44°43'27 N  26°10'27 E); von dort führt Ceauşescu Telefone mit Kommandanten in der Provinz und versucht sich ein Bild von der Lage zu machen; auf Befehl Ceauşescus versucht Maluţan, von seinen Vorgesetzten neue Helikopter anzufordern, wird jedoch von diesen im Stich gelassen; daher beschliesst Ceauşescu, mit dem bisherigen Helikopter zum nahegelegenen Militärflughafen Boteni bei Titu (gut 40 km westlich von Snagov) zu fliegen

22. Dezember, 12:47

Der Hubschrauber hebt mit dem Ehepaar Ceauşescu, dem Piloten Maluţan und zwei Bodyguards in Snagov ab; im Radio wird verkündet, dass Ceauşescu geflohen sei und sich die Armee mit dem Volk verbündet hätte; Ceauşescu beschliesst, in die Stadt Piteşti zu fliegen, da er in Snagov erfahren hatte, dass dort die Lage ruhig sei; der Helikopterpilot Maluţan, der schon mehrfach versucht hatte sich abzusetzen, gibt vor, der Helikopter sei ins Visier genommen worden und könnte demnächst abgeschossen werden; Ceauşescu gibt Befehl, unverzüglich zu landen

22. Dezember, kurz vor 13:00

Das Fernsehen geht auf Sendung und überträgt live aus dem von den Demonstranten eingenommenen Fernsehstudio, das zum Zentrum der Revolution wird; in ganz offensichtlich improvisierter Weise spricht als erster der Schauspieler Ion Caramitru in einer Gruppe von etwa 30 Personen und stellt den Schriftsteller Mircea Dinescu vor, der die Flucht des „Diktators“ verkündet und die Nachricht, dass die Armee auf Seiten des Volkes steht; ein Appell an die Bevölkerung wird angekündigt; das Fernsehen sendet in den kommenden Tagen ohne Unterbruch live aus dem Studio im Norden Bukarests und mit vielen Direktschaltungen zum ZK-Gebäude, und wird für einige Tage zum eigentlichen Machtzentrum, wo sich die neue Führung konstituiert

22. Dezember, ca. 13:10

Der Helikoper mit Ceauşescu an Bord landet beim Dorf Sălcuţa neben Titu, nur wenige km vom Militärflugplatz Boteni entfernt neben der Landstrasse 7 (Geodaten: 44°38'15 N  25°35'29 E)

22. Dezember, ca. 13:30

Den beiden Bodyguards gelingt es, zwei Autos für die Weiterreise anzuhalten; das Ehepaar Ceauşescu und Florian Raţ steigen in eine rote Dacia des Arztes Nicolae Decă, der sich als Verwandter eines Kürschners im Dienste Ceauşescus ausgibt; Marian Rusu, der andere Bodyguard, steigt in ein anderes angehaltenes Auto, eine weisse Dacia des Ingenieurs Vlad Nicolae, mit dem er sich absetzt (er fährt Richtung Bukarest bis Bâldana und von dort mit einem Lastwagen bis Târgovişte, wo er wieder mit Raţ zusammentrifft); die Route der Ceauşescus führt an Titu vorbei auf Nebenstrassen über die Dörfer Produleşti, Broşteni, Gura Şuţii nach Văcăreşti (Geodaten: 44°50'53 N 25°29'41 E) nahe der Stadt Târgovişte

22. Dezember, zwischen 14:00 und 14:30

Das rumänische Fernsehen informiert, dass Ceauşescu in einem Auto auf der Flucht sei; Vasile Maluţan, der Pilot des Helikopters, hatte die Ceauşescus verlassen und per Funk seine Einheit bezüglich der Koordinaten des Landeplatzes informiert und die vermeintliche Nummer des Autos mitgeteilt, mit dem Ceauşescu unterwegs ist (allerdings irrt er sich, da die Ceauşescus mit einem anderen Auto fahren); das Fernsehen gibt die falsche Autonummer bekannt und ruft dazu auf, den „Tyrannen“ zu verfolgen und nicht ausser Landes kommen zu lassen

22. Dezember, ca. 14:00

Im Dorf Văcăreşti behauptet Nicolae Decă, der Fahrer des Autos, in dem das Ehepaar Ceauşescu sitzt, über kein Benzin mehr zu verfügen; die Ceauşescus zwingen einen Arbeiter, Nicolae Petrişor, der am Strassenrand sein Auto, eine schwarze Dacia mit der Nummer 1-DB-3005 wäscht, sie damit zu fahren; das Ehepaar Ceauşescu ist mit dem Fahrer und dem einen Bodyguard, Raţ, alleine unterwegs; Ceauşescu weist Petrişor, den Fahrer, an, ins nahegelegene Târgovişte zu fahren, da er dort ihm ergebene Arbeiter vermutet;

Die Fahrt führt über das Dorf Colanu zum Kombinat für Spezialstahl am südlichen Stadtrand von Târgovişte (Geodaten: 44°54'10 N 25°27'30 E), wo Ceauşescu sich an die Arbeiter wenden wollte; da sie aus dem Radio inzwischen die Aufrufe, den „Tyrannen“ gefangenzunehmen, vernommen haben, verhalten sie sich vorsichtig und nähern sich dem Kombinat von einem Hintereingang aus; dort versucht Florian Raţ kurz nach 14 Uhr vergeblich, ein Telefon ausfindig zu machen, um die Leitung des Kombinats zu kontaktieren; Ceauşescu beschliesst, zum Sitz des Kreisparteikomitees zu fahren; unterwegs, nahe einer Bahnlinie, wird Ceauşescu von Arbeitern erkannt, die mit Gegenständen auf das Auto zu werfen beginnen;

Ceauşescu ist sich uneinig, wohin die Fahrt führen soll; auf Nebenstrassen fahren sie durch den östlichen Stadtteil von Târgovişte (Micro 9, Geodaten: 44°55'13 N 25°28'31 E) und dann der Calea Domnească entlang bis zum Lyzeum „Ienăchiţă Văcărescu“ (Geodaten: 44°55'39 N 25°28'1 E), hinter dem das Auto geparkt wird; Florian Raţ wird zu Fuss zum Sitz des nahegelegenen Kreisparteikomitees geschickt, um einen ARO-Geländewagen zu besorgen; als er dort eintrifft, ist das Gebäude bereits von Demonstranten besetzt, der erste Kreisparteisekretär, Pantelimon Găvănescu, wird beinahe vom Mob gelyncht (er soll über die Brüstung des Balkons gestossen werden); als Raţ unverrichteter Dinge zum Lyzeum zurückkehrt, ist das Auto mit dem Ehepaar Ceauşescu und ihrem einzigen verbliebenen Begleiter, dem Fahrer Nicolae Petrişor, verschwunden; angesichts der zahlreichen Demonstranten auf der Strasse, die den Sturz Ceauşescus feiern, beschliesst Raţ, nach Bukarest zurückzukehren; er trifft zufälligerweise Marian Rusu, den anderen der beiden Leibwächter Ceauşescus, der sich bereits in Sălcuţa beim Umsteigen vom Helikopter ins Auto abgesetzt hatte und der per Anhalter nach Târgovişte gefahren war;

Da die Ceauşescus während der Abwesenheit von Raţ beim Lyzeums erkannt worden waren, flüchten sie überstürzt; sie befehlen dem Fahrer, sie zum Kreisparteikomitee zu fahren; über die Strada Justiţiei und die Calea Domnească nähern sie sich dem Gebäude; angesichts der zahlreichen Demonstranten ducken sich Nicolae und Elena Ceauşescu, um von der Menge nicht erkannt zu werden; sie befehlen dem Fahrer umzukehren und schlagen ein neues Ziel vor: das etwa 6 km entfernte Kloster Dealu; sie fahren über die Piaţa 2 Brazi in Richtung der Brücke Mihai Bravu bis zum Parteihotel; da sich jedoch auch da niemand findet, der den beiden Flüchtenden Einlass gewährt, kehren sie um und setzten die Fahrt Richtung westlicher Stadtrand fort; die Ceauşescus fordern den Fahrer Petrişor auf, aus der Stadt zu fahren;

Über die Ringstrasse fahren die Ceauşescus mit ihrem Chauffeur am westlichen Stadtrand nach Süden am Busbahnhof vorbei Richtung Priseaca; da Petrişor angesichts der Gefahr, als Fahrer der Ceauşescus gelyncht zu werden, nach einer Gelegenheit sucht, seine Passagiere im Stich zu lassen, nutzt er die Gelegenheit, in den offen stehenden Hof des Zentrums für Pflanzenschutz an der Calea Câmpulung 152 (Geodaten: 44°55'42 N  25°25'36 E; Geohack) am westlichen Stadtrand an der Strasse nach Priseaca zu fahren

22. Dezember, ca. 15:00

Petrişor setzt die Ceauşescus in Târgovişte im Zentrum für Pflanzenschutz an einer Ausfallstrasse im Westen der Stadt ab; der Direktor des Pflanzenschutzzentrums, Victor Zăinescu, verständigt die lokale Miliz darüber, dass sich das Ehepaar Ceauşescu bei ihm befindet

22. Dezember, 15:30

Zwei Milizionäre (Constantin Paisie und Ion Enache) treffen im Pflanzenschutzzentrum ein und nehmen die Ceauşescus mit; die Fahrt zum Sitz der Miliz und Securitate scheitert daran, dass das Gebäude von wütenden Demonstranten umstellt ist; bis zum Einbruch der Dunkelheit fahren die beiden Milizionäre die Ceauşescus deshalb in die Nähe des Dorfes Răţoaia (Geodaten: 44°50'52 N  25°41'2 E) rund 20 km ausserhalb von Târgovişte und tarnen das Auto

22. Dezember, gegen 18:00

Die beiden Milizionäre bringen die Ceauşescus zurück nach Târgovişte ins Gebäude von Miliz und Securitate, die unter dem Ansturm der Demonstranten geflüchtet waren, wonach die Armee die Kontrolle über das Gebäude übernommen hatte; die Ceauşescus werden unmittelbar darauf in die nahegelegene Armeekaserne (Militäreinheit 01417, Geodaten: 44°55' 2 N  25°27'21 E) gefahren, wo sie um 18:30 eintreffen; etwa eine Stunde später wird General Stănculescu, seit dem Vormittag faktischer Verteidigungsminister, in Bukarest über den Aufenthaltsort der Ceauşescus informiert; von da und bis zum Prozess bleiben Nicolae und Elena Ceauşescu in der Kaserne von Târgovişte, wobei deren Kommandant, Andrei Kemenici, offen lässt, ob sie sich als Gefangene oder zu ihrem eigenen Schutz in der Kaserne befinden

22. Dezember, 12:30

Vom Balkon des ZK-Gebäudes wendet sich Petre Roman, der zukünftige Premierminister, an die davor versammelte Menge; der ZK-Balkon wird zur Bühne, von der aus viele bekannte und unbekannte Personen Reden halten

22. Dezember, 13:00

Ion Iliescu, Direktor des technischen Verlags, bekannter Exponent der Nomenklatura und von vielen schon vor dem Dezember 1989 als reformorientierter möglicher Nachfolger Ceauşescus gesehen (so etwa im deutschen Magazin Spiegel Nr. 46 von 1987, S. 184-189), , erfährt an seinem Arbeitsplatz im Pressehaus im Norden Bukarestes (Geodaten: 44°28'50"N 26° 4'16"E) von den Vorgängen über den Fernseher und begibt sich ins nahe gelegene Fernsehstudio (Geodaten: 44°27'47"N 26° 5'25"E), von wo aus er sich um 14:45 aus dem Studio 4 erstmals an die Bevölkerung wendet: er gibt bekannt, soeben mit General Stănculescu im Verteidungsministerium telefoniert zu haben (den Ceauşescu am Vormittag nach dem Tod Vasile Mileas faktisch zum Verteidigungsminister ernannt hatte). Iliescu ruft alle, die Verantwortung übernehmen könnten dazu auf, sich um 17 Uhr im Zentralkomitee-Gabäude zu treffen, um eine neue Führung zu konstituierten.

22. Dezember, 13:30

Stănculescu, von Ceauşescu de facto zum Verteidigungsminister ernannt, begibt sich nach dessen Flucht vom ZK-Gebäude zum Verteidigungsministerium (Geodaten: 44°25'28"N 26° 3'3"E), wo er der Armee den Rückzug in die Kasernen befiehlt und Ceauşescu den Befehl über die Streitkräfte entzieht; er ordnet an, dass die Armee das Fernsehstudio im Norden Bukarests und andere strategisch wichtige Orte bewachen soll

22. Dezember, 13:45

Ion Iliescu telefoniert mit dem de-facto-Verteidigungsminister Stănculescu, um sich über den Zustand der Armee zu informieren. Stănculescu garantiert Iliescu den Schutz der Armee.

22. Dezember, 13:45

Petre Roman verliest im Fernsehen eine Erklärung

22. Dezember, 14:35

Ion Iliescu erscheint erstmals im Fernsehen, hält eine Ansprache und kündet die Formierung eines nationalen Rettungskomitees an; er ruft die Bevölkerung auf, sich vor dem ZK-Gebäude zu versammeln; zwischen  15:00 und 15:30 erscheint er erneut auf dem Bildschirm und ruft die Bevölkerung auf, öffentliche Einrichtungen zu bewachen

22. Dezember, Nachmittag

Im ZK-Gebäude versuchen verschiedene Funktionäre, neue Machtstrukturen aufzubauen, so die Gefolgsleute Ceauşescus, Constantin Dăscălescu, bis anhin Premierminister, und Ilie Verdeţ, ehemaliger Premierminister

22. Dezember, ca. 16 Uhr

Ion Iliescu, Petre Roman, Gelu Voican Voiculescu (Geologe), General Nicolae Militaru und andere (der Kern der sich herausbildenden neuen Führung) fahren vom Fernsehstudio ins Verteidigungsministerium zu General Stănculescu; die Anerkennung dieser Gruppe durch den faktischen Oberbefehlshaber der Armee, Stănculescu, und weitere hochrangige Militärs ist ein wichtiger Schritt hin zur Bildung einer neuen, handlungsfähigen Führung

22. Dezember, später Nachmittag

Der eben aus Temesvar zurückgekehrte Generalstabschef Ştefan Guşă befiehlt den Truppen, sich in die Kasernen zurückzuziehen; desgleichen rufen Kommandanten der Miliz und der Securitate ihre Untergebenen am Fernsehen dazu auf, sich in ihre Einheiten zurückzuziehen; erste, unbestätigte Informationen über die Verhaftung Ceauşescus in Târgovişte werden verkündet

22. Dezember, ca. 17 Uhr

Iliescu trifft im ZK-Gebäude ein  und hält vom Balkon aus eine kurze Ansprache an die davor versammelten Revolutionäre; als er sich mit der Anrede "Genossen" an die Menge wendet, wird er ausgebuht und korrigiert sich; im ZK-Gebäude finden verschiedene Treffen und Beratungen statt, wo sich die Struktur der neuen Führung abzuzeichnen beginnt, als deren Namen man sich nach längeren Diskussionen auf „Nationale Rettungsfront“ (Frontul Salvării Naţionale, FSN) einigt

22. Dezember, früher Abend

Das ZK-Gebäude wird unter Beschuss genommen (ca. 18:30); Iliescu gelingt es zusammen mit Gelu Voican-Voiculescu aus dem Gebäude zu entkommen und per Taxi ins Verteidigungsministerium zu fahren, wo Stănculescu Voican-Voiculescu über die Festnahme der Ceauşescus unterrichtet; gemeinsam beraten die beide eine schnelle Hinrichtung der Ceauşescus, wofür Voican-Voiculescu die Zustimmung Iliescus einholen soll

22. Dezember, Abend

Ion Iliescu wendet sich in einer auch von Radio und Fernsehen übertragenen Rede vom Balkon des ZK-Gebäudes aus an die versammelte Menge und gibt bekannt, dass die Verhaftung Ceauşescus angeordnet wurde und dass Nachrichten vorliegen, wonach er in der Gegend von Târgovişte verhaftet worden sei; unter allgemeinem Applaus kündet er an, ihn einem öffentlichen Gerichtsverfahren zuzuführen

22. Dezember, später Abend, Nacht

Iliescu und Voican-Voiculescu fahren wieder ins Fernsehstudio, wo Voican-Voiculescu Iliescu über die Pläne einer schnellen Hinrichtung informiert; Iliescu widerspricht und fordert einen Prozess, dem andere Exponenten der entstehenden Führung wie Petre Roman zustimmen

22. Dezember, 22:00

Nicu Ceauşescu, erster Sekretär des Kreisparteikomitees Sibiu (Hermannstadt), Sohn Ceauşescus (Gerüchte, sein Vater habe ihn als Nachfolger auserkoren beruhen auf schwacher Faktengrundlage), wird im Fernsehen vorgeführt, nachdem er, per Auto von Sibiu her in Bukarest eintreffend, aufgegriffen worden ist; von aufgebrachten Revolutionären ist er schwer verletzt worden, wird aber erst am Tag danach ins Krankenhaus gebracht und operiert

22. Dezember, spätabends

Im Fernsehen treffen sich Iliescu, Roman und andere Personen, um über eine neue Führung zu diskutieren; es resultiert eine von Iliescu um 23:35 im Fernsehen vorgetragene Erklärung, die sich für Menschenrechte und Demokratie ausspricht; um der Erklärung eine grössere Legitimität zu geben, wurde der Rat der neuen Rettungsfront neben den Anwesenden mit zusätzlichen Namen ergänzt; so erschienen Namen bekannter DissidentInnen wie Doina Cornea, Ana Blandiana, Mircea Dinescu oder László Tőkés auf der Mitgliederliste, die gar nicht angefragt worden waren

Freitag 22. bis Montag, 25. Dezember, Abend

In Bukarest und anderen Städten gehen die Kämpfe in den Strassen weiter, vor allem nachts, wobei der Grossteil der Todesopfer der rumänischen Revolution (85%) erst jetzt, nach dem Sturz Ceauşescus, ums Leben kommt; vor allem ab dem Abend des 22. bis zum 24. Dezember sind viele Opfer zu beklagen; es kommt zu grossen Sachbeschädigungen, etwa an der Universitätsbibliothek in Bukarest, die neben dem ZK-Gebäude liegt

Wer und aus welchen Motiven geschossen hat, ist nach wie vor unklar; neben Resten Ceauşescu loyal ergebener Kräfte dürften in vielen Fällen das herrschende Chaos, die Konfusion und Panikreaktionen zu „friendly fire“, zu versehentlichen Schusswechseln geführt haben, zumal teilweise die Bevölkerung mit Waffen ausgestattet wurde (oder Waffendepots geplündert hatte) und zum Widerstand gegen angebliche „Terroristen“ aufgerufen wurde, so titelte etwa am 24. Dezember die Zeitung Scînteia poporului: „Alle die eine Waffe bedienen können – zu den Waffen!“; inwiefern die neuen Machthaber die Gewalt gezielt provoziert oder doch zumindest geduldet haben, um ihre eigene Unentberlichkeit als Ordnungsmacht unter Beweis zu stellen und eine revolutionäre Legitimation zu gewinnen, ist unklar

Nacht vom Freitag 22. auf  Samstag , 23. Dezember

in verschiedenen Einheiten landesweit wird Luftalarm gegen unbekannte Flugkörper gegeben und teils auch geschossen, da Befehl erlassen worden ist, auf alle fliegenden Objekte zu schiessen; nachträglich können jedoch meist keine Spuren von den angeblichen Flugzeugen oder Helikoptern gefunden werden; meist handelte es sich wohl um Fehlalarm oder gezielte Provokationen

Nacht vom Freitag 22. auf  Samstag , 23. Dezember

zwei gepanzerte Fahrzeuge der Spezialeinheit für den Antiterrorkampf (USLA), die unter dem Kommando von Gheorghe Trosca zur Verstärkung ins Verteidigungsministerium geschickt wurden, werden von den das Gebäude verteidigenden Soldaten irrtümlich für Angreifer gehandelt und beschossen, sieben Besatzungsmitglieder getötet

In der rumänischen Presse verbreitete unbelegte Spekulationen machen den damals de facto als Verteidigungsminister amtenden General Nicolae Militaru direkt für die Todesfälle verantwortlich; Militaru soll demnach als Vergeltungsmassnahme gegen Trosca persönlich und die USLA generell die Beschiessung angeordnet habe; Grund dafür soll gewesen sein, dass Trosca neben anderen in die 1978 erfolgte Absetzung Militarus und die nachfolgenden Untersuchungen um seine angebliche Spionagetätigkeit für den militärischen Nachrichtendienst der Sowjetunion verwickelt war

23. Dezember, 6:30

am internationalen Flughafen Otopeni bei Bukarest kommen über drei Dutzend zur Verstärkung ausgeschickte Soldaten ums Leben, als die den Flughafen bewachenden Soldaten sie für Terroristen halten und das Feuer eröffnen; desgleichen wird ein Bus, der Flughafenpersonal zur Arbeit bringt beschossen; insgesamt kommen 48 Personen ums Leben

Samstag, 23. Dezember, früher Morgen

in der Wohnung von Corneliu Coposu, Aktivist der  nationalen Bauernpartei vor ihrem Verbot durch die Kommunisten, treffen sich ehemalige Mitglieder dieser Partei und verfassen einen Aufruf an die Bevölkerung; später am Tag wird die Neugründung der Partei bekannt gegeben

23. Dezember, Abend

Ion Iliescu gibt im Fernsehen bekannt, dass General Nicolae Militaru zum neuen Verteidigungsminister ernannt wurde (de facto bereits ab dem Abend des 22. Dezembers), als erste Adjunkten wurden Victor Stănculescu und Ştefan Guşă ernannt; er bestätigt die Verhaftung von Nicolae und Elena Ceauşescu sowie einer Reihe weiterer hochrangiger Kader

23. Dezember, 20:00

In der Nähe der Stadt Alba Iulia in Siebenbürgen wird ein Helikopter mit angeblichen Terroristen abgeschossen; an Bord befanden sich als Gefangene die Generäle Constantin Nuţă und Velicu Mihalea; diese waren in den Tagen vom 17. bis 23. Dezember in die Repressionsmassnahmen in Temesvar und Arad verwickelt gewesen; am 23. Dezember stiegen sie in Arad in den Zug Panonia 22 nach Bukarest, wurden aber am frühen Nachmittag am Bahnof von Simeria festgenommen; per Auto werden sie in die Kaserne von Deva gebracht und sollten per Helikopter vom Piloten Nicolae Tudor nach Sibiu (Hermannstadt) überführt werden; um 19:30 startet der Helikopter in Deva und wird ca. eine halbe Stunde später bei Alba Iulia abgeschossen; neben dem Piloten und den beiden Gefangenen kommen auch die beiden anderen Besatzungsmitglieder ums Leben (Victor Matica und Nicolae Galaftion)

Ähnlich wie im Falle der Ereignisse in der Nacht vom 22. auf den 23. Dezember wurde in der rumänischen Presse gemäss Spekulationen Verteidigungsminister Nicolae Militaru direkt für den Abschuss verantwortlich gemacht, da die beiden Generäle belastendes Material über die Spionagetätigkeit Militarus zugunsten der UdSSR besessen hätten und dieser so einen Weg gefunden habe, sie auszuschalten

24. Dezember, Abend

Ion Iliescu unterzeichnet den Beschluss zur Einrichtung eines ausserordentlichen Militärgerichts zur Aburteilung von Nicolae und Elena Ceauşescu

Freitag 22. bis Montag, 25. Dezember

Die Ceauşescus werden weiterhin in der Kaserne in Târgovişte festgehalten, deren Kommandant, Kemenici, sie, um sich der Verantwortung zu entledigen, nach Bukarest schicken möchte; er erhält aber Befehl, sie vor Ort zu behalten und nötigenfalls zu erschiessen, um Flucht- oder Befreiungsversuche zu verhindern; in der Stadt ist die Lage unruhig und verworren, die Kaserne scheint mehrmals angegriffen zu werden; tagsüber wurden die Ceauşescus in einem Geländewagen auf dem Gelände im Umfeld der Kaserne herumgefahren und auf dem Gelände der Kaserne unter anderem zwischen zwei Baracken (Geodaten: 44°54'43.55"N 25°27'50.38"E) versteckt; um Befreiungsversuche zu erschweren, werden sie in Militäruniformen getarnt und mehrmals in kritischen Momenten in einen vor dem Gebäude der Kaserne stehendes Panzerfahrzeug gebracht, so vom 24. Dezember, 23 bis 25. Dezember 4 Uhr in der Früh und erneut am Vormittag des 25. Dezembers

Montag, 25. Dezember, Vormittag

Im Stadion Ghencea in Bukarest trifft eine Sondereinheit von acht Freiwilligen des in Boteni stationierten Fallschirmjägerregiments ein (Ionel Boeru, Kommandant; Dorin Cârlan, Octavian Gheorghe, Constantin Bărănguţă, Dumitru Iliescu, Marian Forjan, Laurenţiu Ştefănescu, Teodor Gheorghe; einige am 22. Dezember zur Verteidigung der neuen Ordnung nach Bukarest abkommandierte Kollegen aus derselben Einheit waren bereits in den Tagen zuvor bei den Kämpfen in den Strassen Bukarests und besonders beim Fernsehstudio umgekommen); ihre Mission ist ein nicht näher definierter Einsatz; aus den Reihen dieser acht werden dann später die drei erstgenannten als Exekutionskommando rekrutiert; die acht Freiwilligen aus Boteni treffen beim Stadion Ghencea des Fussballclubs Steaua in Bukarest mit den Prozessteilnehmern zusammen (darunter Gelu Voican-Voiculescu, treibende Kraft der Eliminierung Ceauşescus, sowie General Victor Atanasie Stănculescu, Organisator des Prozesses im logistischen Sinne) und fliegen mit diesen, verteilt auf zwei Helikopter, nach Târgovişte: die Helikopter fliegen als Vorsichtsmassnahme gegen Abschussversuche niedrig über dem Boden im Zickzackkurs; in der Nähe von Ploiesti stossen drei weitere Helikopter dazu, welche die beiden Helikopter mit den Prozessteilnehmern von oben decken;

Um beim Anflug auf die Kaserne von Târgovişte nicht abgeschossen zu werden, wird als Erkennungszeichen gemäss der Vereinbarung zwischen General Stănculescu mit dem örtlichen Kommandanten Kemenici ein gelber Schal aus dem Helikopter gehalten; die beiden Pflichtverteidiger sind per Autokonvoi nach Târgovişte unterwegs; die meisten der Beteiligten erfahren erst in der Kaserne von Târgovişte, dass sie an einem Prozess gegen das Ehepaar Ceauşescu teilnehmen sollen; etwa um 13 Uhr treffen die Helikopter in der Kaserne von Târgovişte ein; das Ehepaar Ceauşescu wird aus dem Panzer herausgeholt und beim Herausklettern gefilmt, in die Kaserne geführt und dort ärztlich untersucht

Montag, 25. Dezember, ca. 13:30

In der Kaserne in Târgovişte beginnt der Prozess gegen Nicolae und Elena Ceauşescu, der in einem kleinen Schulungs-/Sitzungssaal im Erdgeschoss stattfindet, der aus Sicherheitsgründen ausgewählt wurde, da die grösseren Säle im Erdgeschoss zur Strasse hin weisen;

Im Gerichtssaal anwesende Personen: Elena und Nicolae Ceauşescu (Angeklagte; Nicolae schaut während des Prozesses immer wieder auf seine Uhr); Mugurel Florescu (Zuschauer); Trifan Matenciuc (Adjutant von General Stănculescu, Zuschauer); General Victor Atanasie Stănculescu (Zuschauer, Repräsentant der nationalen Rettungsfront FSN, Organisator des Prozesses; wird während des Prozesses von der Kamera dabei eingefangen, wie er Papierschiffchen faltet); Gelu Voican Voiculescu (Zuschauer, Repräsentant FSN); Virgil Măgureanu (Zuschauer, Repräsentant FSN); fünfköpfiges Richtergremium: Gică Popa (Richter, Gerichtsvorsitzender), Ioan Nistor (Richter), Corneliu Sorescu, Daniel Condrea und Ion Zamfir (Gerichtsbeisitzer, Mitunterzeichner des Todesurteils); Dan Voinea (Ankläger); Nicolae Teodorescu (Pflichtverteidiger Elena Ceauşescus) und Constantin Lucescu (Pflichtverteidiger Nicolae Ceauşescus); Jan (oder Jean) Tănase (Gerichtsschreiber); Ion bzw. Ionel Baiu (Kameramann); Wachsoldaten: Ion bzw. Ionel Boeru (Kommandant der Fallschirmjägereinheit) und eventuell Laurenţiu Ştefănescu (Mitglied der Fallschirmjägereinheit);

Während des Prozesses ruft der neue Verteidigunsminister, General Nicolae Militaru, aus Bukarest zweimal in die Kaserne in Târgovişte an, um auf ein schnelles Ende des Prozesses zu drängen – der Kommandant der Kaserne, Kemenici, bringt die Nachricht zu General Stănculescu in den Gerichtssaal;

Der Prozess besteht in der Verlesung der Anklage, dem Plädoyer der Verteidiger und Wortwechseln mit den Angeklagten, die sich strikte weigern, das Gericht anzuerkennen, Ceauşescu beruft sich darauf, nur der Grossen Nationalversammlung Rechenschaft abzulegen; während des Prozesses werden keine Beweise vorgelegt oder Zeugen befragt; gegen Elena Ceauşescu werden keine gesonderten Anklagepunkte aufgeführt, sie wird stillschweigend und summarisch zusammen mit ihrem Mann verurteilt

25. Dezember, ca. 14:40

Nach einer rund fünfminütigen Pause, während der sich das Gericht zur Urteilsberatung zurückgezogen hat, verliest der vorsitzende Richter, Gică Popa, das einstimmig gefällte Todesurteil; Anklagepunkte waren: Genozid mit angeblich mehr als 60‘000 Toten, Unterminierung der Staatsmacht durch bewaffnetes Vorgehen gegen das Volk, Zerstörung öffentlichen Eigentums, Unterminierung der Volkswirtschaft, Versuch der Flucht aus dem Land aufgrund eines auf ausländischen Banken deponierten angeblichen Vermögens von über einer Milliarde Dollar; unmittelbar darauf werden den Ceauşescus von den anwesenden Soldaten die Hände auf den Rücken gefesselt, wogegen sich vor allem Elena Ceauşescu lautstark wehrt; sie verlangen, zusammen zu sterben; dieser letzte Wunsch wird ihnen gewährt, sie werden zusammen abgeführt

25. Dezember, ca. 14:50

Das Urteil wird ohne Gewährung der gesetzlich vorgeschriebenen 10-tägigen Rekursfrist und ohne expliziten Verzicht der Angeklagten auf das Rekursrecht vollstreckt; die Ceauşescus werden in den Innenhof der Kaserne geführt und dort an der Mauer des nördlichen Gebäudeflügels aufgestellt (Geodaten: 44°55'2.25"N 25°27'22.56"E); Ceauşescu beginnt die Internationale zu singen; ohne einen eindeutigen Befehl erhalten zu haben, schiessen die Soldaten der Fallschirmjägereinheit Dorin Cârlan, Ionel Boeru und Octavian Gheorghiu aus kurzer Distanz auf die beiden Verurteilten, die tot zusammenbrechen; der Kameramann, der Probleme mit der Kabellänge hat, kommt zu spät und kann nur noch die am Boden liegenden Leichen filmen, hat den Moment der Exekution aber verpasst

25. Dezember, Nachmittag/früher Abend

Die Leichen der Ceauşescus werden in Zeltplanen eingewickelt und im Helikopter, mit dem die aus Bukarest angereisten Prozessteilnehmer zurückfliegen, mittransportiert; die Helikopter landen im Stadium Ghencea im Westen von Bukarest, wo die Leichen ausgeladen werden

25. Dezember, Nacht zum 26. Dezember

Die im Stadion deponierten Leichen der beiden Ceauşescus sind in der Dunkelheit unauffindbar; erst am nächsten Morgen werden sie ins Militärkrankenhaus gebracht und in der Kühlkammer des Leichenschauhauses aufbewahrt bis zum 30. Dezember

25. Dezember, 20:45

am Fernsehen verkündet der Sprecher Petre Popescu, dass die Ceauşescus von einem Gericht verurteilt und hingerichtet wurden

25. Dezember, Abend

Andrei Kemenici, Kommandant der Kaserne in Târgovişte, bittet, das Video mit dem Prozess nicht am Fernsehen zu zeigen, da er Racheakte auf seine Kaserne fürchtet; so wurden am 25. Dezember nur kurze Sequenzen ohne Ton und ohne die Exekution ausgestrahlt; die Fernsehfassung wurde vom bekannten Regisseur Sergiu Nicolaescu zusammengestellt und im Laufe des 26. Dezembers mehrfach ausgestrahlt

Nacht vom 25. auf den 26. Dezember, kurz nach Mitternacht

ein Zusammenschnitt von 5 Minuten und 16 Sekunden aus der Videoaufzeichnung des Prozesses gegen Ceauşescu wird am Fernsehen ausgestrahlt, allerdings ohne Ton und ohne die Gesichter der anwesenden Personen (ausser der Angeklagten) und die toten Körper der beiden zu zeigen; im Laufe der kommenden Tage werden weitere Ausschnitte, nun mit Ton und inklusive den gefilmten Momenten während bzw. nach der Exekution ausgestrahlt, um Gerüchten, Ceauşescu sei noch am Leben, zuvor zu kommen, allerdings wurden die Stellen, an denen die Gesichter der Gerichtsmitglieder und der Besucher zu sehen gewesen wären, durch Standbilder Ceauşescus ersetzt; eine vollständige Fassung des Videos mit den Gesichtern der im Gerichtssaal anwesenden wurde gegen den Willen der provisorischen Führung Rumäniens erst am 22. April 1990 von einem französischen Sender ausgestrahlt und unmittelbar darauf auch in Rumänien; der vorsitzende Richter, Gică Popa, hatte sich inzwischen (1. März 1990) das Leben genommen

Französische  Fachleute erklären laut den Videoaufnahmen, dass die dort sichtbaren Leichen schon längere Zeit tot gewesen sein müssen, die angeblichen unmittelbar nach der Hinrichtung registrierten Aufnahmen demnach gestellt seien

Dienstag, 26. Dezember, tagsüber

die neue Führung (Rat der nationalen Rettungsfront) erlässt erste Dekrete, mit denen Gesetztesbestimmungen aus der Ceauşescu-Zeit annulliert werden und erste Bestimmungen erlassen werden, so die Ernennung von Petre Roman zum Premierminister der provisorischen Regierung; dem Innenministerium unterstellte Einheiten wie die Securitate oder die Grenzwache werden in die Armee eingegliedert

Mittwoch, 27. Dezember, tagsüber

erste Plenarsitzung des Rats der nationalen Rettungsfront; Iliescu wird Präsident des Exekutivbüros des Rats; als neue offizielle Bezeichnung des Landes wird der Name „Rumänien“ (România) gewählt; der Zusatz „sozialistische Republik“ verschwindet; als neue Landesflagge wird die traditionelle, balu-gelb-rote Trikolore bestimmt, auf der das sozialistische Wappen entfernt wurde; die Miliz wird in Polizei umbenannt

27. Dezember

Ende der Gewalt in Bukarest und in den anderen Städten Rumäniens

Samstag, 30. Dezember, 16:30

Die Särge mit den beiden Ceauşescus werden auf dem Friedhof Ghencea unter Geheimhaltung ins Grab heruntergelassen, wobei der Vorgang aber gefilmt wird

Jahresende 1989

Bis gegen Jahresende hat sich die Situation beruhigt, in den kommenden Tagen und Wochen beginnt sich die provisorische Regierung zu konsolidieren

21. Juli 2010

Auf Veranlassung des einzigen noch lebenden Kindes der Ceauşescus, Valentin, werden die sterblichen Überreste von Nicolae und Elena Ceauşescu exhumiert, um per DNA-Probe zu überprüfen, ob es sich bei den im Ghencea-Friedhof begrabenen Leichen tatsächlich um die Ceauşescus handelt. Da deren Bestattung ohne Papiere und in grosser Geheimhaltung vollzogen worden war, kamen immer wieder Gerüchte auf, es hätte sich bei den Bestatteten gar nicht um die Ceauşescus gehandelt

3. November 2010

Das nationale Institut für Rechtsmedizin gibt bekannt, dass es sich bei dem exhumierten Leichnahm statistisch gesehen mit grosser Wahrscheinlichkeit um Nicolae Ceauşescu handelt; demnach ist auch Valentin leiblicher Sohn Ceauşescus und nicht Adoptivsohn, wie manchmal spekuliert worden ist

Opferzahlen der rumänischen Revolution von 1989

Landesweite Opferzahlen

Die Zahlen weichen je nach Quelle voneinander ab und sind daher als Grössenordnungen zu verstehen.

1104 Todesopfer (gemäss Angaben der Militärstaatsanwaltschaft bzw. der Senatskommission zur Untersuchung der Revolution; davon 221 Armeeangehörige und vielleicht 97 Angehörige anderer Sicherheitskräfte) und 3352 Verletzte (darunter 633 Armeeangehörige); vor dem Sturz Ceauşescus am Mittag des 22. Dezembers 1989: 162 Tote (darunter 73 in Temesvar, 49 in Bukarest) und 1107 Verletzte; nach dem Sturz bis Ende des Jahres 1989: 942 Tote (darunter 515 in Bukarest, 20 in Temesvar) und 2245 Verletzte; Todesopfer in weiteren Städten während des Dezembers 1989: Sibiu (Hermannstadt): 99, über 100 Verletzte; Braşov (Kronstadt): 66; Brăila: 42; Cluj (Klausenburg): bis zum 22. Dezember 29 Tote, rund 60 Verletzte; Buzău: 29; Consţanta: 29; Craiova: 24; Arad: 19; Turda: 13; Reşiţa: 11; unter 10 Todesopfer u.a. in Alba Iulia, Blaj, Târgovişte, Hunedoara (6), Lugoj, Sfântu Gheorghe, Oradea (1) etc.

2004 gab das Staatssekretariat für Belange der Revolutionäre eine revidierte Zahl von 1058 Todesopfern bekannt (Eroi – Martiri. In: Caietele Revoluţiei 4 (17)/2008, S. 21).

Neueste Angaben des Instituts zur Erforschung der Verbrechen des Kommunismus (Institutul de Investigare a Crimelor Comunismului), gemäss dem Artikel von Grigore Cartianu: Ei au tras în noi după 22! in: Adevărul, 22. Dezember, Onlineausgabe[letzter Zugriff: 22. Dezember 2009]: 5205 Opfer, davon 1116 Tote und 4089 Verletzte; 957 der Todesopfer und 2587 der Verletzten nach der Flucht Ceauşescus am Mittag des 22. Dezembers, davon Todesopfer in Bukarest 503, Sibiu (Hermannstadt) 89, Braşov (Kronstadt) 68, Brăila 42 und Buzău 34. Vor dem 22. Dezember kamen gemäss derselben Quelle in Timişoara (Temesvar) 75 Personen ums Leben.

Gesamtzahl der Todesopfer nach Verwaltungskreisen (judeţ):

Bukarest 551
Timiş 99
Sibiu (Hermannstadt) 91
Braşov (Kronstadt) 68
Brăila 42
Cluj (Klausenburg) 38
Buzău 34
Constanţa 29
Dolj 23
Arad 20
Caraş-Severin 20
Dâmboviţa 19
Alba 17
Covasna + Harghita 11
Giurgiu 10
Târgu-Mureş 10
Hunedoara 9
Ialomiţa 6
Bacău 5
Galaţi 4
Vrancea 4
Argeş 2
Prahova 2
Mehedinţi 1
Neamţ 1

Total 1116

Todesopfer der rumänischen Revolution von 1989 nach Verwaltungskreisen (Judet)

Einschätzungen zur rumänsichen Revolution und Ceauşescu

Gemäss einer Umfrage von CURS vom September/Oktober 2009, publiziert von Jurnalul Naţional:

Was hat im Dezember 1989 in Rumänien stattgefunden?

47%: Revolution

36%: Staatsstreich

3%: anderes

14%: Weiss nicht, keine Antwort

 

Zum Vergleich: Umfrageergebnisse aus den 1990er Jahren (nach: Gabanyi: Systemwechsel, S. 161):

Art des Umbruchs
1991 1994 1995
Revolution
46 % 51 % 50 %
Internes Komplott
31 % 30 % 30 %
Externes Komplott
23 % 16 % 24 %

 

Wer war für die Ereignisse im Dezember 1989 verantwortlich?

34%: Ion Iliescu und andere Kräfte (interne oder externe)

19%: Externe Kräfte (USA, CIA, KGB, Russland, Gorbatschow)

12%: Interne Kräfte wie Armee oder Securitate

11%: Ehemalige Kommunisten, 2. Glied, Umfeld Ceauşescus

3%: Interne und externe Kräfte

2%: Bevölkerung, Jugend

19%: Weiss nicht, keine Antwort

 

Wie soll Ceauşescu in den Geschichtsbüchern bewertet werden?

31%: Als eine Person, die mehr Gutes für Rumänien geleistet hat

13%: Als eine Person, die mehr Schlechtes für Rumänien geleistet hat

52%: Als eine Person, die Gutes wie Schlechtes in gleichem Ausmass geleistet hat

1%: anders

3%: Weiss nicht, keine Antwort

 

Literatur/Quellen

Zu den Ereignissen in Rumänien im Dezember 1989 sind schon Hunderte von Büchern, zahlreiche Artikel in Fachpublikationen und unzählige Beiträge in der Presse erschienen, darüber hinaus verschiedene Dokumentarfilme; nachfolgende Auswahl beschränkte sich auf einige wenige Werke, die vor allem die Chronologie und den Ablauf der Ereignisse und besonders des Prozesses gegen das Ehepaar Ceauşescu beleuchten, auch wenn sie zum Teil problematische und unausgewogene Interpretationen enthalten.

[Aktualisierung 2019: Die bisher beste Gesamtübersicht gibt das Buch von Peter Siani-Davies, das aber in einigen Punkten zu unkritisch auch in Rumänien dominierende Sichtweisen übernimmt, die offenbar auf einer von Securitate-Kreisen gezielt gesteuerten Desinformations-Kampagne beruhen. Die beste Interpretation der Ereignisse im Dezember 1989 in Rumänien ist die Darstellung von Richard Andrew Hall. Hall hatte sich in den frühen 1990er Jahren vor Ort intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt. Seine Darstellung ist nah an den Primärquellen, sehr minutiös und kritisch gegenüber späteren (Um-)Deutungen. Aus verschiedenen Gründen aber sind seine Deutungen bislang viel zu wenig beachtet worden. Ursprünglich als nie in Buchform publizierte Dissertation in der ersten Hälfte der 1990er Jahre verfasst betreibt der Autor einen allerdings sehr unübersichtlichen Blog (The Archive of the Romanian Revolution of December 1989). In englischer Sprache verfasst ist er eine an sich leicht zugängliche, hervorragende Informationsressource, die viele genuine Erkenntnisse enthält. Halls minuitöse Analysen bieten ein weitaus realistischeres Bild der rumänischen Revolution von 1989 als ein Grossteil der publizierten Bücher und Studien. Diese verfangen sich oft im Dickicht aus Behauptungen, Vermutungen, Desinformation und Propaganda, das schon wenige Wochen nach den Ereingnissen um diese herum zu wuchern begann. Hall gelingt es, durch nah am Geschehen stehenden Zeugenaussagen (häufig in der Presse der frühen 90er Jahre dokumentiert) minutiös einen plausiblen Verlauf des Geschehens zu rekonstruieren. Vor allem kann er auch deteilliert nachzeichnen, welche Interessen und Akteure für die massive Desinformationskampage verantwortlich waren, die auch 30 Jahre nach den Ereignissen immer noch wesentliche Aspekte verschleiern.

Auf den Erkenntnissen von Hall bauen die neueren Arbeiten von Mădălin Hodor in rumänischer Sprache auf. Der Historiker hat aufgrund seiner Tätigkeit beim CNSAS (Nationaler Rat für das Studium der Archive der Securitate) Zugang zu weiteren Akten, die Hall's Erkenntnisse stützen. Siehe dazu den ausführlichen Aufsatz von Andrei Ursu, Mădălin Hodor, Roland O. Thomasson (2018 - siehe untenstehende Literaturliste - demnächst auch im Buch, das im Verlag Polirom Iaşi erscheinen wird: Trăgători şi mistificatori. Contrarevoluţia Securităţii în decembrie 1989.). Darin werden wichtige Erkenntnisse zu den Ereignissen im Dezember 1989 in Rumänien und besonders zu den Verantwortlichen für die Todesopfer, vor allem nach der Flucht Ceauşescus am 22. Dezember 1989 präsentiert. Eine der zentralen Aussagen besteht darin, dass die Verantwortung für die Gewalt sowohl vor als auch nach dem 22. Dezember 1989 in erster Linie bei der Securitate lag. Die angeblichen "Terroristen", die damals in den Medien für die Gewalt verantwortlich gemacht wurden, waren eine Erfindung der Securitate. Die Diversion hatte demnach zum Ziel, von der Verantwortung der Securitate-Kader für die Gewalt vor der Flucht Ceauşescus abzulenken beziehungsweise die ganze Schuld Ceauşescu und diesem angeblich loyal ergebenen "Terroristen" anzulasten (häufig als ausländische Söldner imaginiert, etwa aus arabischen Ländern). Die Hoffnung war, so die Privelegien für die entsprechenden Institutionen zu bewahren und sich den neuen Machthabern als unentbehrlich zu empfehlen. Eine Bedrohung durch einen unsichtbaren Feind, angebliche Terroristen oder Ceauşescu weiterhin loyal ergebene Sicherheitskräfte wenn nicht gar ein ausländisches Eingreifen sollte die Notwendigkeit vor Augen führen, dass sie auf die diskreditierte Securitate angewiesen waren - und sei es nur, da sie mit der Diversion eindrücklich ihre Möglichkeiten unter Beweis stellte, die Lage zu destabilisieren. Um die Situation zu beruhigen mussten die Machthaber also eine Verständigung mit der Securitate finden. Diese war sich der Gefahr bewusst, unter einer neuen Führung zur Verantwortung gezogen zu werden für die massive Gewalt gegen unbewaffnete Demonstranten vom 17. bis 22. Dezember.
Es waren also vermutlich nicht so sehr Iliescu und die neue Führung, die in erster Linie für die Gewaltorgie nach dem 22. Dezemeber verantwortlich waren, sondern vor allem die Securitatekreise, die vor Ceauşescus Flucht in die Repressionsmassnahmen verwickelt gewesen waren. Ihr Ziel war aber nicht, den bereits geflüchteten Ceauşescu zu verteidigen, wie es oft behauptet wurde - gerade von den für die Diversion verantwortlichen Kräften wie Iulian Vlad, letzter Securitate-Chef unter Ceauşescu. Mit Fällen von gefangen genommenen, offenbar an der Diversion beteiligten Securitate-Angehörigen konfrontiert behauptete er, es handle sich um Einzelfälle, die ausserhalb der Kontrolle der Securitate-Führung gehandelt hätten und Ceauşescu loyal ergeben seien. Es handelte sich offensichtlich um eine Schutzbehauptung Vlads, der damit die Verantwortung für offensichtliche und schwer bestreitbare Verwicklungen der Securitate in die Gewalt ab dem späteren Nachmittag des 22. Dezembers abwälzen wollte.
Es gibt keine Hinweise auf eine wie auch immer geartete aktive Beteiligung, geschweige denn eine aktive Planung der Ereignisse in den Tagen vor Ceauşescus Flucht durch Ion Iliescu oder andere Protagonisten der ab dem 22. Dezember neu entstehenden Führung. Damit ist nichts über ihre (durchaus problematische) Rolle unmittelbar nach dem Sturz Ceauşescus wie auch mittel- und längerfristig in den folgenden Monaten und Jahren gesagt, die aber unabhängig davon zu beurteilen ist. Auch die Initiative für die militärische Diversion und damit die Hauptverantwortung für die Gewaltorgie ab dem Abend des 22. Dezemebers lag bei den Kadern von Securitate. Sie wollten die revolutionäre Dynamik des Volksaufstands mit den weitgehenden Forderungen nach Demokratisierung und Lustration stoppen, um vom alten Regime zu retten, was zu retten war: mit Ceauşescus Sturz konnte man sich gut arrangieren, indem man ihm alle Schuld in die Schuhe schob. Damit hofften die Armee- und Securitate-Kader, von ihrer eigenen vorgängigen Verwicklung ins Regime abzulenken. Es ging darum, nicht zur Verantwortung gezogen zu werden für Handlungen vor dem 22. Dezemeber wie auch darum, die institutionellen Strukturen, Positionen und Privilegien möglichst unangetastet über den Machtwechsel hinweg zu bewahren.
Was ab dem späteren Nachmittag des 22. Dezembers, also nach Ceauşescus Flucht folgte war gemäss den Autoren eine professionell organisierte Diversion, die von Armee- und Securitatekreisen als Ablenkungsmanöver inszeniert wurde. Die Sicherheitskräfte waren auf solche Diversionen vorbereitet: 1968 hatte sich Ceauşescu geweigert, am Einmarsch der Truppen des Warschauer Paktes in die Tschechoslowakei teilzunehmen, wo der Prager Frühling niedergeschlagen wurde. Danach passte Rumänien seine Verteidiungsdoktrin an und bereitete sich unter anderem darauf vor, im Falle einer sowjetischen Besetzung Rumäniens in kleinen Zellen Widerstand zu leisten. Die Aufgabe dieser sogenannten verdeckt operierenden "Re?eaua R" (Netzwerk R - R für rezisten?a, Widerstand) bestand unter anderem darin, in einer Art Guerilla-Taktik Diversion zu betreiben. So sollte den Besatzern das Leben schwer gemacht werden. Die Angehörigen des Netzwerkes rekrutierten sich aus aktiven oder ausser Dienst stehenden Angehörigen der Armee, Securitate und anderen Sicherheitskräften. Vergleichbare Geheim-Strukturen existierten im Übrigen im Kalten Krieg unter anderem auch in der Schweiz (die P-26). Die Hypothese der Autoren besagt, dass die Diversion in den Tagen ab dem 22. Dezember, die alarmistischen Berichte in den Medien über Terroristen, vergiftetes Wasser, anrückende Panzerkolonnen, unbekannte Flugobjekte etc. ziemlich genau den Lehrbuch-Szenarien der verdeckten Widerstands-Netzwerkes entsprächen. Ein Hinweis darauf sind auch die Meldungen über angebliche Bedrohungen, die präzise abgestimmt waren mit elektronisch simulierten Zielen auf den Radarschirmen, was auf eine zentrale Koordination schliessen lässt. Nur die Securitate und die Armee hatten die technischen Mittel, nicht existierende herannahende Flugobjekte zu simulieren, die dann von der Flugabwehr beschossen wurden [vgl. dazu oben den Abschuss des Helikopters am Abend des 23. Dezemebers, bei dem die Generäle Constantin Nuta und Velicu Mihalea ums Leben kamen]. So wurde Panik nicht nur in der Bevölkerung, sondern auch in vielen Armee-Einheiten erzeugt. Überzeugt von der Existenz von "Terroristen" und Ceauşescu nach wie vor ergebenen Einheiten führte die Panik in vielen Fällen zu blindwütigem Feuer auf vermeintliche Gegner, die so aber gar nicht existierten. Nicht nur Armee-Einheiten waren daran beteiligt, sondern auch Privatpersonen, die in den Besitz von Schusswaffen gelangt waren. Beim Sturm des ZK-Gebäudes in Bukarest am Mittag des 22. Dezembers etwa waren viele Waffen erbeutet worden, die in der allgemeinen Unsicherheit - vor allem nach dem frühen Einbruch der Dunkelheit gegen 17 Uhr - zum Einsatz kamen.
Nach 1989 zirkulierten zahlreiche Spekulationen, Verschwörungstheorien, vor allem aber von den Beteiligten gezielt gestreute Desinformation, die in der Öffentlichkeit oft bereitwillig aufgenommen wurden. Allerdings gibt es keinerlei Belege für die behauptete Intervention ausländischer Mächte in Rumänien im Dezember 1989 (vor allem Ungarn und die UdSSR wurden verdächtigt). Solche Spekulationen hatte als erster Ceauşescu persönlich in Umlauf gebracht. Da auch dreissig Jahre danach nicht der geringste belastbare Beleg dafür existiert kann diese These aus wissenschaftlicher Sicht nicht gestützt werden - es dürfte sich um pure Phantasie handeln. Eine sowjetische Intervention in Rumänien hätte den Zielen und Interessen der damaligen sowjetischen Führung diametral widersprochen. Auch für die behauptete Präsenz einer grossen Zahl sowjetischer "Touristen" in Rumänien in diesem Zeitraum, die angeblich als verdeckte Agenten Moskaus handelten, finden sich in den zugänglichen Dokumenten keine Spuren. Auch beruht dies im besten Fall auf purer Spekulation, im schlechtesten Fall auf bewusster Irreführung.
Von Mădălin Hodor exisiteren verschiedene weitere Texte zum Thema, unter anderem in der Presse über verschiedene Aspekte, so zum Beispiel über die Ursache der Panik vom 21. Dezember an der Massenveranstaltung in Bukarest, aufgrund der Ceauşescus Rede unterbrochen wurde in Mădălin Hodor: Misterul panicii (siehe Literaturliste). Zur Verantwortung für den Schusswaffeneinsatz in Temeswar aufgrund von Inventarlisten Mădălin Hodor: Securiştii.

 

Mit Stern * versehene Titel sind nach 2011 ergänzt worden

  • * Album al eroilor. Decembrie 1989. Colecţia Cicerone Ioniţoiu; URL: http://www.procesulcomunismului.com/marturii/fonduri/ioanitoiu/aeroi (Liste mit den Todesopfern der Gewalt im Dezember 1989 mit Details zu den Todesumständen, wo vorhanden).
  • Almond, Mark: The rise and fall of Nicolae and Elena Ceauşescu. London 1992.
  • Amelunxen, Hubertus von; Ujica, Andrei (Hg.): Television / Revolution. Das Ultimatum des Bildes: Rumänien im Dezember 1989. Marburg  1990.
  • Ardeleanu, Tana; Sevaliuc, Razvan; Baiu, Ion: Procesul Ceauşescu. Stenograma integrală şi necenzurată a procesului de la Târgovişte. Bucureşti 1996.
  • Behr, Edward: Kiss the hand you cannot bite. The rise and fall of the Ceauşescus. New York 1991.
  • * Betea, Lavinia; Mihai, Florin Răzvan; Ţiu, Ilarion: Viaţa lui Ceauşescu. [Vol. 3] Tiranul. Bucureşti 2015, S. 329-384. Ausgewogene, gut recherchierte, dreibändige Biographie Ceauşescus; die beiden letzten Kapitel behandeln seinen Sturz
  • Cartianu, Grigore: Sfârşitul Ceauşeştilor. Să mori impuşcat ca un animal sălbatic. Bucureşti 2010, sowie derselbe: Crimele revoluţiei. Sângeroasa diversiune a KGB-iştor din FSN. Bucureşti 2010; die beiden Bücher beruhen auf einer von Oktober bis Dezember 2009 in der Tageszeitung Adevărul publizierten Artikelserie über die letzten Tage des Ehepaars Ceauşescu und die Revolution von 1989, Onlineausgabe: http://www.adevarul.ro/ [Zugriff jeweils am Tag der Publikation; viele Artikel sind derzeit nicht mehr zugänglich; zugängliche Artikel über google recherchierbar]
  • * Dan, Ioan: Teroriştii din 1989. Probe prezentate şi comentate de un fost şef al Procuraturilor Militare. Bucureşti 2012.
  • Domenico, Viorel: Ceauşescu la Târgovişte, 22-25 decembrie 1989. Bucureşti 1999.
  • Domenico, Viorel: După execuţie a nins. Procesul şi execuţia soţilor Ceauşescu - 25 decembrie 1989. Bucureşti 1992.
  • Duţă, Vasile: Revoluţia în Dâmboviţa – 10 ani, 1989 – 1999. Dezvăluiri, mărturii şi documente inedite. Târgovişte 2000.
  • Duţu, Alesandru: Revoluţia din 1989. Cronologie. Bucureşti 2006.
  • Farocki, Harun; Ujica, Andrei: Videogramme einer Revolution [Dokumentarfilm] Berlin, Bremen 1992.
  • Gabanyi, Anneli Ute: Die unvollendete Revolution : Rumänien zwischen Diktatur und Demokratie. München, Zürich 1990.
  • Gabanyi, Anneli Ute: Systemwechsel in Rumänien. Von der Revolution zur Transformation. München 1998.
  • * Hall, Richard Andrew: Theories of Collective Action and Revolution. Evidence from the Romanian Transition ofDecember 1989. Europe-Asia Studies 52/2000, Nr. 6, S. 1069-1093.
  • * Hall, Richard Andrew: The Archive of the Romanian Revolution of December 1989. A Catch-22 December 1989, Groundhog-Day Production. Presenting the Personal Research & Scholarship of Richard Andrew Hall, Ph.D. URL: https://romanianrevolutionofdecember1989.com (unübersichtliche, aber sehr nützliche Seite mit vielen Quellen aus den frühen 90er Jahren, etwa Interviews aus Zeitungen mit Protagnoisten der Ereignisse).
  • Galloway, George; Wylie, Bob: Downfall. The Ceauşescus and the Romanian Revolution. London 1991.
  • Heinen, Armin: Der Tod des Diktators und die Gegenwart der Vergangenheit. Rumänien 1989-2002. In: Zeitenblicke. Online-Journal Geschichtswissenschaften 3/2004, Nr. 1, online unter http://www.zeitenblicke.de/2004/01/heinen/Heinen.pdf.
  • * Hodor, Mădălin: Misterul panicii de la mitingul din 21 decembrie 1989. In: Republica online, 2018-12-21, URL: https://republica.ro/misterul-panicii-de-la-mitingul-din-21-decembrie-1989
  • * Hodor, Mădălin: Securiştii care au tras la Timişoara. Listele lui Ambrozie. In: Revista 22, 07.11.2017, URL: https://revista22.ro/dosar/securitii-care-au-tras-la-timioara-listele-lui-ambrozie
  • Jurnalul naţional [Tageszeitung]. Decembrie 1989 [im November/Dezember 2009 publizierte Artikelserie über die Ereignisse im Dezember 1989], Onlineausgabe: http://jurnalul.ro/dosare/decembrie-89-37.html [letzter Zugriff: Dezember 2009].
  • Loupan, Victor: La révolution n'a pas eu lieu... Roumanie: l'histoire d'un coup d'État. Paris 1990.
  • Lucescu, Constantin: Procesul Ceauşescu. Soluţie justiţiară a unui moment istoric. Bucureşti 1997.
  • Marcu, Dorian: Moartea Ceauşeştilor. Bucureşti 1991.
  • Marius Tucă Show: Ultimele zile ale lui Ceauşescu. Bucureşti 1999.
  • * Mioc, Marius: https://mariusmioc.wordpress.com - Blog von Marius Mioc, der im Dezember 1989 aktiv an den Protesten gegen das Regime in Temeswar teilgenommen hatte und seither als Publizist einer der unermüdlichsten Aktivisten war, um die Ereignisse aufzuklären. Seine Erkenntnisse gehören zu den empirisch am besten belegten. Aus der Sichtweise eines Aktivisten gehört er zu den wenigen Personen, die diese Perspektive öffentlich vertreten. Damit nimmt er eine Gegenposition ein gegenüber der in der rumänischen Öffentlichkeit dominierenden Sichtweise, die dominiert wird von der offenbar gezielt orchestrierten Desinformationskampagne aus ehemaligen Securitate-Kreisen, die massiv Einfluss genommen haben auf die Medienberichterstattung. Der etwas unübersichtliche Blog ist eine Fundgrube wertvoller Informationen und Deutungen, die noch viel zu wenig beachtet wurden. Vergleiche auch die von Mioc publizierten Bücher: https://mariusmioc.wordpress.com/comentarii-la-cartile-mele
  • Murgescu, Bogdan: Stimmen einer Revolution. Interview mit dem Historiker Bogdan Murgescu über den Rumänischen Dezember 1989. In: Zeitschrift für Siebenbürgische Landeskunde 32/2009, Heft 2, S. 195-208.
  • Nelson, Daniel N. (ed.): Romania after Tyranny. Boulder, San Francisco, Oxford 1992.
  • Petrovszky, Konrad; Ţichindeleanu, Ovidiu (ed.): Revoluţia română televizată. Contribuţii la istoria culturală a mediilor. Cluj 2009.
  • Portocala, Radu: L'exécution des Ceausescu. La vérité sur une révolution en trompe-l'oeil. [Paris] 2009.
  • Procesul Ceauşeştilor: 25 decembrie 1989. Stenograma integrală şi caseta video originală. În loc de postfaţa cronica unei cărţi denigrate. Bucureşti 1991.
  • Rady, Martyn: Romania in turmoil. A contemporary history. London [u.a.] 1992.
  • Ratesh, Nestor: Romania - the entangled revolution. New York etc. 1991.
  • Rau, Milo (Hg.): Die letzten Tage der Ceausescus. Materialien, Dokumente, Theorie. Berlin 2010.
  • * Rizea, Marian: 22.12.1989 - Revo(invo)luţia din România. Bucureşti 2017.
  • * Roth, Eduard Rudolf: The Romanian Revolution of 1989 and the Veracity of the External Subversion Theory. In: journal of Contemporary Central and Eastern Europe, 24/2016, Nr. 1, S. 37-50, URL: http://dx.doi.org/10.1080/0965156X.2015.1118816
  • Siani-Davies, Peter: The Romanian revolution of December 1989. Ithaca, London 2005.
  • Stoenescu, Alex Mihai: Cronologia evenimentelor din decembrie 1989. Bucureşti 2009.
  • Stoenescu, Alex Mihai: Istoria loviturilor de stat în România. Vol. 4, 1-2: “Revoluţia din decembrie 1989” – o tragedie românească. Bucureşti 2004-2005.
  • Suciu, Titus: Reportaj cu sufletul la gură. Traseele revoluţiei . Timişoara 1990 (zu den Ereignissen in Temesvar).
  • Sweeney, John: The life and evil times of Nicolae Ceauşescu. London, Sydney, Auckland etc. 1991.
  • Trappe, Julie: Rumäniens Umgang mit der kommunistischen Vergangenheit. Eine Untersuchung aus strafrechtlicher Perspektive. Göttingen 2009.
  • TVR – Televiziunea română: Revoluţia română în direct. Bucureşti 1990.
  • * Ursu, Andrei; Hodor, Mădălin; Thomasson, Roland O.: Cine a tras în noi după 22". Studiu asupra vinovăţiilor pentru victimele Revoluţiei Române din decembrie 1989. In: Noua Revista de Drepturile Omului 4-2018, S. 5-128, URL:http://www.revistadrepturileomului.ro/assets/docs/2018_4/NRDO-4-2018-studiu.pdf; zusammengefasst im Interview von Codruta Simina mit Mădălin Hodor, einem der Autoren, erschienen in Press One, 17. 02. 2019, URL: https://pressone.ro/istoricul-madalin-hodor-in-1989-a-avut-loc-o-diversiune-militara-executata-de-armata-secreta-a-partidului
  • * Ursu, Andrei; Hodor, Mădălin; Thomasson, Roland O.: Trăgători şi mistificatori. Contrarevoluţia Securităţii în decembrie 1989. Iaşi 2019.

 

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